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Anton Morwitz saß aufrecht im Bett und horchte. Durch die Spalten der geschlossenen Vorhänge drang Sonnenlicht herein, draußen lärmten im Efeu die Spatzen. Es war ein wunderschöner Frühherbstmorgen, aber der Rentner Morwitz hatte für Mutter Natur und ihre Gaben nichts übrig, im Gegenteil, – die Spatzen ärgerten ihn, weil er nicht hören konnte, was Lotte nebenan tat …

Nun erlauschte er doch etwas: Eine Tür klappte, im Flur huschte ein eiliger Schritt vorüber, und dann knarrte unten die Küchentür. Morwitz kannte eben jedes Geräusch, das in dem alten Hause irgendwo und irgendwie erklang, – jedes Quietschen der Dielen, jedes Kreischen der Türdrücker und jedes Knarren der Schiebladen.

Er erhob sich leise aus dem Bett und betrachtete sich im Spiegel, strich mit den Fingern über sein Kinn hinweg und überlegte, ob er sich rasieren sollte. Der Stoppelbart war bereits drei Tage alt, aber der alte Herr hielt nichts auf Äußerlichkeiten – nichts mehr, er zählte zu jenen verbitterten Menschen, die nie darüber hinwegkommen, daß

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K. Walther: Eine alte Kommode. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1935, Seite 303. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eine_alte_Kommode.pdf/4&oldid=- (Version vom 31.7.2018)