Seite:Eine alte Kommode.pdf/6

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Er schlich nun in sein Arbeitszimmer hinüber, wo noch immer wie früher der große Zeichentisch stand. Auch dieser Tisch mit den Reißbrettern und sonstigen Werkzeugen seiner ehemaligen Kunst, denn er hatte als Architekt wirklich etwas geleistet, waren für ihn nur gleichfalls geistige Foltergeräte: Er glaubte, mit dem Verlust seines halben Vermögens auch seine beruflichen Fähigkeiten eingebüßt zu haben! Soundso oft sagte er zu der alten, wirklich alten Frau, die in seinem Hause gelegentlich die schwereren Arbeiten verrichtete und die so jung und rüstig geblieben, weil sie eben nicht alt werden wollte, – in seinem weinerlichen Tone sagte er dann, auf den Zeichentisch deutend: „Auch das war einmal, Frau Piesecke! Mein Hirn ist leer wie meine Kasse! Ich bin ein beklagenswerter Mann!“

Und sie, die alte, wirklich alte und doch nicht alte Emma Piesecke erwiderte dann: „Nur immer Kopp hoch, Herr Architekt! Das findet sich alles wieder ein, – so ein Mann wie Sie in besten Jahren …!“

Worauf er sie nur wütend anstierte und sich vornahm, sie nie mehr zur Vertrauten seiner seelischen Nöte zu machen. Jetzt konnte er das nicht mehr, denn seit einer Woche war die Piesecke nach einem saugroben Brief, in dem mehr Grobheiten als ortographische Fehler enthalten, und

Empfohlene Zitierweise:
K. Walther: Eine alte Kommode. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1935, Seite 305. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eine_alte_Kommode.pdf/6&oldid=- (Version vom 31.7.2018)