Seite:Elektrische und Optische Erscheinungen (Lorentz) 004.jpg

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Dass von absoluter Ruhe des Aethers nicht die Rede sein kann, versteht sich wohl von selbst; der Ausdruck würde sogar nicht einmal Sinn haben. Wenn ich der Kürze wegen sage, der Aether ruhe, so ist damit nur gemeint, dass sich der eine Theil dieses Mediums nicht gegen den anderen verschiebe und dass alle wahrnehmbaren Bewegungen der Himmelskörper relative Bewegungen in Bezug auf den Aether seien.

§ 2. Seitdem die Anschauungen Maxwell’s sich immer mehr Bahn gebrochen haben, ist die Frage nach dem Verhalten des Aethers auch für die Electricitätslehre von hoher Wichtigkeit geworden. Es kann ja, streng genommen, kein einziger Versuch, bei dem sich ein geladener Körper oder ein Stromleiter bewegt, gründlich behandelt werden, wenn man sich nicht zugleich über Ruhe oder Bewegung des Aethers ausspricht. Bei jeder electrischen Erscheinung entsteht die Frage, ob ein Einfluss der Erdbewegung zu erwarten sei, und was die Folgen dieser letzteren bei den optischen Erscheinungen betrifft, so ist von der electromagnetischen Lichttheorie zu verlangen, dass sie von den bereits festgestellten Thatsachen Rechenschaft gebe. Die Aberrationstheorie gehört nämlich nicht zu jenen Theilen der Optik, zu deren Behandlung die allgemeinen Principien der Wellenlehre ausreichen. Sobald ein Fernrohr ins Spiel kommt, kann man nicht umhin, für die Linsen den Fresnel’schen Fortführungscoefficienten anzuwenden, dessen Werth doch eben nur aus speciellen Annahmen über die Natur der Lichtschwingungen abzuleiten ist.

Dass die electromagnetische Lichttheorie nun aber wirklich zu dem von Fresnel angenommenen Coefficienten führt, wurde vor zwei Jahren von mir dargelegt[1]. Seitdem habe ich die Theorie erheblich vereinfacht und sie auch auf die Vorgänge bei der Reflexion und Brechung, sowie auf doppeltbrechende Körper ausgedehnt[2]. Es möge mir deshalb gestattet sein, jetzt auf die Sache zurückzukommen.


  1. Lorentz. La théorie électromagnétique de Maxwell et son application aux corps mouvants. Leide, E. J. Brill, 1892. (Auch erschienen in den Arch, néerl., T. 25).
  2. Vorläufige Mittheilungen hierüber erschienen in den Zittingsverslagen der Akad. v. Wet. te Amsterdam, 1892—93, pp. 28 und 149.