Seite:Elektrische und Optische Erscheinungen (Lorentz) 005.jpg

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Um zu den Grundgleichungen für die electrischen Erscheinungen in bewegten Körpern zu gelangen, habe ich mich einer Auffassung angeschlossen, die in den letzten Jahren von mehreren Physikern vertreten worden ist; ich habe nämlich angenommen, dass sich in allen Körpern kleine, electrisch geladene Massentheilchen befinden und dass alle electrischen Vorgänge auf der Lagerung und Bewegung dieser „Ionen“ beruhen. Was die Electrolyte betrifft, so ist diese Auffassung allgemein als die einzig mögliche anerkannt, und die Herren Giese[1], Schuster[2], Arrhenius[3], Elster und Geitel[4] haben die Meinung vertheidigt, dass man es auch bei der Electricitätsleitung in Gasen mit einer Convection durch Ionen zu thun habe. Wie mir scheint, steht nichts der Annahme im Wege, dass auch die Molecüle ponderabler dielectrischer Körper solche Theilchen enthalten, die an bestimmte Gleichgewichtslagen gebunden sind und nur durch äussere electrische Krafte daraus verschoben werden; hierin bestände dann eben die „dielectrische Polarisation“ derartiger Körper.

Die periodisch wechselnden Polarisationen, welche nach der Maxwell’schen Theorie einen Lichtstrahl bilden, werden bei dieser Auffassung zu Vibrationen der Ionen. Bekanntlich wurde von vielen Forschern, die sich auf den Boden der älteren Lichttheorie stellten, ein Mitschwingen der ponderablen Materie als die Ursache der Farbenzerstreuung betrachtet, und diese Erklärung lässt sich der Hauptsache nach in die electromagnetische Lichttheorie aufnehmen, wozu es nur nöthig ist, den Ionen eine gewisse Masse zuzuschreiben. Ich habe das in einer früheren Abhandlung gezeigt[5], in welcher ich die Bewegungsgleichungen freilich noch aus Fernwirkungen ableitete, und nicht, was ich jetzt für viel einfacher erachte, aus Maxwell’schen Begriffen.


  1. Giese. Wied. Ann., Bd. 17, p. 538, 1882.
  2. Schuster. Proc. Roy. Soc., Vol. 37, p. 317, 1884.
  3. Arrhenius. Wied. Ann., Bd. 32, p. 565, 1887; Bd. 33, p. 638, 1888.
  4. Elster und Geitel. Wiener Sitz.-Ber., Bd. 97, Abth. 2, p. 1255, 1888.
  5. Lorentz. Over het verband tusschen de voortplantingssnelheid van het licht en de dichtheid en samenstelling der middenstoffen. Verhandelingen der Akad. van Wet. te Amsterdam, Deel 18, 1878; Wied. Ann., Bd. 9, p. 641, 1880.