Seite:Elektrische und Optische Erscheinungen (Lorentz) 006.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Später ist von Helmholtz[1] in seiner electromagnetischen Theorie der Farbenzerstreuung von demselben Gesichtspunkt ausgegangen[2].

Hr. Giese[3] hat auf verschiedene Fälle die Hypotbese angewandt, dass auch in metallischen Leitern die Electricität an Ionen gebunden sei; aber das Bild, welches er von den Vorgängen in diesen Körpern entwirft, ist in einem Punkte wesentlich verschieden von den Vorstellungen, die man von der Leitung in Electrolyten hat. Während die Theilchen eines gelösten Salzes, wie oft sie auch immer von den Wassermolecülen aufgehalten werden mögen, schliesslich über grosse Strecken wandern können, dürften die Ionen in einem Kupferdrahte wohl schwerlich eine so grosse Beweglichkeit besitzen. Man kann sich jedoch an einem Hin- und Hergehen über moleculare Distanzen genügen lassen, wenn man nur annimmt, dass häufig ein Ion seine Ladung an ein andres abtrete, oder dass zwei entgegengesetzt geladene Ionen, falls sie sich begegnen, oder nachdem sie mit einander „verbunden“ sind, ihre Ladungen gegen einander austauschen. Jedenfalls müssen solche Vorgänge an der Grenze zweier Körper stattfinden, wenn ein Strom von dem einen zum anderen übergeht. Werden z. B. aus einer Salzlösung positiv geladene Kupferatome an einer Kupferplatte abgeschieden, und man will auch in dieser letzteren alle Electricität an Ionen binden, so hat man anzunehmen, dass die Ladungen auf Atome in der Platte übergehen, oder dass der niedergeschlagenen Theilchen ihre Ladungen austauschen mit negativ geladenen Kupferatomen, die sich schon in der Electrode befanden.

Ist somit die Annahme dieses Ueberganges oder Austausches der Ionenladungen — eines freilich noch sehr dunklen Vorganges — die unerlässliche Ergänzung jeder Theorie, welche


  1. v. Helmholtz. Wied. Ann., Bd. 48, p. 389, 1893.
  2. Auch Hr. Koláček (Wied. Ann., Bd. 32, pp. 224 und 429, 1887) hat, obgleich in anderer Weise, eine Erklärung der Dispersion aus den electrischen Schwingungen in den Molecülen versucht.
    Zu erwähnen ist auch noch die Theorie des Hrn. Goldhammer (Wied. Ann., Bd. 47, p. 93, 1892).
  3. Giese. Wied. Ann., Bd. 37, p. 576, 1889.