Seite:Elektrische und Optische Erscheinungen (Lorentz) 124.jpg

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werden, so kann dann auch eine Aenderung der Dimensionen nicht ausbleiben.

In theoretischer Hinsicht wäre also nichts gegen die Hypothese einzuwenden. Was die experimentelle Prüfung derselben betrifft, so ist zunächst zu bemerken, dass die in Rede stehenden Verlängerungen und Verkürzungen ausserordentlich klein sind. Es ist , und somit würde, falls man setzt, die Verkürzung des einen Durchmessers der Erde etwa 6,5 c. M. betragen. Die Länge eines Meterstabes aber änderte sich, wenn man ihn aus der einen Hauptlage in die andere überführte, um 1/200 Mikron. Wollte man so kleine Grössen wahrnehmen, so könnte man sich wohl nur von einer Interferenzmethode Erfolg versprechen. Man hätte also mit zwei zu einander senkrechten Stäben zu arbeiten und von zwei mit einander interferirenden Lichtbündeln das eine an dem ersten und das andere an dem zweiten Stabe entlang hin- und hergehen zu lassen. Hierdurch gelangte man aber wieder zu dem Michelson’schen Versuch und würde bei der Rotation gar keine Verschiebung der Streifen wahrnehmen. Umgekehrt wie wir es früher ausdrückten, könnte man jetzt sagen, dass die aus den Längenänderungen hervorgehende Verschiebung durch die Maxwell’sche Verschiebung compensirt werde.

§ 92. Es ist beachtenswerth, dass man gerade zu den oben vorausgesetzten Veränderungen der Dimensionen geführt wird, wenn man erstens, ohne die Molecularbewegung zu berücksichtigen, annimmt, dass in einem sich selbst überlassenen festen Körper die auf ein beliebiges Molecül wirkenden Kräfte, Anziehungen oder Abstossungen, einander das Gleichgewicht halten, und zweitens — wozu freilich kein Grund vorliegt — auf diese Molecularkräfte das Gesetz anwendet, das wir im § 23 für die electrostatischen Wirkungen abgeleitet haben. Versteht man nämlich jetzt unter und nicht, wie in jenem Paragraphen, zwei Systeme geladener Theilchen, sondern zwei Systeme von Molecülen, — das zweite ruhend und das erste mit der Geschwindigkeit in der Richtung der x-Axe —, zwischen deren Dimensionen die früher angegebene Beziehung besteht, und nimmt man an, dass in beiden Systemen die x-Componenten der Kräfte dieselben seien, die y- und z-Componenten sich aber durch die