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Elisabeth Báthory.
Eine wahre Geschichte.

      Wenn Grausamkeit und Blutdurst den Mann entehren, ihn dem allgemeinen Abscheu Preis geben, und mit dem Fluch der beleidigten Menschheit brandmarken; so findet die Sprache keinen Ausdruck, die Gefühle der empörten Natur zu bezeichnen, wenn ein Weib diesen unnatürlichen Trieben fröhnt. Sanfter vom Schöpfer organisirt, um die Stürme in der leidenschaftlichen Seele des Mannes zu mildern, durch körperliche Beschaffenheit, Erziehung und bürgerliche Verfassung bestimmt, dem wilden Zerstörungstriebe des stärkeren Geschlechtes Einhalt zu thun, sehen wir bei allen Nationen der Erde die schönere Hälfte der Menschheit auch treu sich diesem schöneren Berufe widmen. Nur das Zusammentreffen ausserordentlicher Umstände kann das Weib solch’ einer süssen Bestimmung entrücken, und in das sanfte, nur zur Theilnahme, Zärtlichkeit und Liebe geschaffne Herz den gräßlichen Trieb pflanzen, Menschen zu quälen, zu hassen, zu morden. Die Geschichte aller, leider! auch der neuesten Zeiten, liefert uns zwar nicht wenig schauderhafte Beispiele von unmenschlichen, durch Weiber ausgeübten Grausamkeiten; allein stets erklären doch Liebe, Rache, oder beleidigte Ehre diese unnatürlichen Verirrungen, wenn sie dadurch gleich nie gerechtfertigt werden. Höchst selten ist aber wohl die Erscheinung eines weiblichen Ungeheuers, das blos aus teuflischem Vergnügen an fremden Schmerzen, mit Verachtung aller natürlichen und bürgerlichen Gesetze, wie ein blutdürstiges Raubthier, mehrere hundert unschuldige Geschöpfe, ihrer Mordlust aufopferte.

      Ein Beispiel dieser Art liefert nachstehende Geschichte, die aus glaubwürdigen in meinen Händen befindlichen Akten gezogen ist.

      Elisabeth Báthory[WS 1] entsproß in der 2ten Hälfte des 16ten Jahrhunderts aus einer der ersten und ansehnlichsten Familien Ungarns, deren Ursprung sich bis in die ersten Zeiten der Monarchie verliert, die aber bereits gegen die Mitte des 17ten Jahrhunderts erlosch. Groß und mächtig durch Reichthum und Ansehen, war sie im Besitz der ersten Würden des Reiches, und einer dieses Stammes war die Hauptstütze des Oesterreichischen Hauses, als Ferdinand der Erste[WS 2] mit seinem mächtigen Gegenkönige Johann von Zapolya[WS 3], um den Besitz der Ungarischen Krone kämpfte. Palatine[WS 4], Großrichter des Reichs, Kardinäle und Fürsten von Siebenbürgen[WS 5] giengen aus diesem Hause hervor, das endlich mit dem höchsten Glanze geschmückt ward, als Stephan Báthory[WS 6] im Jahre 1575, nach Erlöschung des Jagellonischen Mannsstammes,[WS 7] mit Sigismund Augusts des Zweiten[WS 8] und Heinrichs von Valois (nachmaligen Königs von Frankreich)[WS 9] voreiliger Verlassung des Pohlnischen Thrones, sich mit Anna, der Schwester Sigismunds,[WS 10] vermählte, und zum Könige von Pohlen erwählet ward.

      Kein Wunder, wenn sich um die Erbin eines so großen Namens und so beträchtlicher Güter, und zugleich eine der ersten Schönheiten des Landes der Freyer gar manche meldeten. Nicht schwer ward die Wahl. Eine aus dem Bewußtseyn ihrer Reitze hervorgehende unbegränzte Eitelkeit und Prachtliebe machte ihre hauptsächlich die Verbindung mit einem Manne wünschenswerth, der diese Leidenschaften befriedigen konnte. Graf Franz von Nádasdy,[WS 11] Landesobriststallmeister und Besitzer großer Herrschaften, schien ihr den Vorzug vor allen übrigen zu verdienen, und ward daher bald durch den Besitz ihrer Hand beglückt. Wie lange dieses Glück gedauert haben mag, meldet die Urkunde nicht; sie erzeugte mit ihrem Gemahl mehrere Kinder, und blieb nach seinem Tode den bestehenden Landesgesetzen gemäß, in dem unbeschränkten Genuß seines sämmtlichen Vermögens. Nun lebte sie auf ihrem Schloß zu Cseithe[WS 12] in der Neutraer Gespannschaft,[WS 13] in gewohnter Pracht mit einem großen Hofstaate.

      Zu diesem gehörte hauptsächlich nach der Sitte der damaligen Zeit eine zahlreiche Dienerschaft aus dem Blütenalter des weiblichen Geschlechtes. Unvermögliche Eltern, selbst von guter Familie, rechneten es sich nämlich zur besondern Ehre, wenn sie ihre Töchter bei irgend einer angesehenen Frau unterbringen konnten. Hier wurden sie in allen weiblichen Arbeiten unterrichtet, und erhielten eine Aussteuer, wenn sie heuratheten. Auch diente es einem Mädchen zur besondern Empfehlung, in einem großen Hause gedient zu haben. Daher junge Leute sie andern stets vorzogen, und bei der Wahl einer Braut, diesen Umstand vorzüglich berücksichtigten. Ein Paar alte Matronen, gewöhnlich von der ersten Kindheit ihrer Gebietherinnen, in Diensten derselben,[1] führten die Aufsicht über das junge Volk, und unterrichteten dasselbe in allen Arbeiten, so wie im Dienste der Frau.

      Diese armen Geschöpfe auf das empfindlichste zu peinigen, und sich an ihren Schmerzen zu weiden, war eine Lieblingsbeschäftigung Elisabeths. Leicht war


Anmerkungen des Herausgebers:

  1. Wer erinnert sich hier nicht der Ammen, welche in den griechischen Trauerspielen so bedeutende Rollen spielen?

Anmerkungen von Wikisource:

  1. Elisabeth Báthory (1560 bis 1614) war eine ungarische Gräfin und gilt als eine der schlimmsten Serienmörderinnen der Geschichte.
  2. Ferdinand der Erste (1503 bis 1564) war Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, sowie Erzherzog von Österreich, König von Böhmen, Kroatien und Ungarn.
  3. Johann Sigismund Zápolya (1540 bis 1571) war 1540–1570 als Johann II. König von Ungarn und ab 1570, als Johann (I.), der erste Fürst von Siebenbürgen.
  4. Als Palatin wurde im Königreich Ungarn in den Jahren 1350 bis 1848 der vom König vorgeschlagene und vom Reichstag gewählte königliche Stellvertreter bezeichnet. Er war gleichzeitig der Oberste Richter des Landes.
  5. Siebenbürgen oder Transsilvanien ist ein historisches und geografisches Gebiet im südlichen Karpatenraum.
  6. Stephan Báthory (1533 bis 1586) war 1571–1576 gewählter Fürst von Siebenbürgen und ab 1576 König von Polen und Großfürst von Litauen.
  7. Die Jagiellonen waren eine im Mannesstamm aus Litauen stammende Nebenlinie des Hauses Gediminas und eine europäische Dynastie, die von 1386 bis 1572 die polnische Könige und die Großfürsten von Litauen stellte. Auch waren sie ab dem 15. Jahrhundert ungarische, kroatische und böhmische Könige.
  8. Sigismund II. August (1520 bis 1572) war ab 1529 Großfürst von Litauen, ab 1530 König von Polen und ab 1548, nach dem Tod seines Vaters, Alleinherrscher. Er war ab 1569 der erste Regent des Staates Polen-Litauen.
  9. Heinrich von Valois (1551 bis 1589) war 1573–1574 als Henryk Walezy König von Polen-Litauen, ab 1574 bis zu seinem Tod 1589 König von Frankreich und letzter König aus dem Haus Valois.
  10. Anna Jagiellonica (1523 bis 1596) war die Schwester Sigismunds II. August und die Gattin von Stephan Bathory. Sie war formell ab 1575 bis zu ihrem Tod, als „König“ von Polen und „Großfürst“ von Litauen, gewähltes Staatsoberhaupt von Polen-Litauen.
  11. Franz von Násasdy (1555 bis 1604) war ein ungarischer Adliger. Am 9. Mai 1575 heiratete Nádasdy Elisbath von Báthory und gemeinsam hatten sie fünf Kinder (Anna, Katalin, Orsolya, András und Péter).
  12. Die Burg Čachtice liegt am Rand der slowakischen kleinen Karpaten in der Nähe einer gleichnamigen Ortschaft.
  13. Das Komitat Neutra ist der Name einer historischen Verwaltungseinheit (Gespanschaft/Komitat) des Königreichs Ungarn.
Empfohlene Zitierweise:
Freyherr von M—y: Elisabeth Báthory. Eine wahre Geschichte.. Prag: 1812, Seite 470. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Elisabeth_von_B%C3%A1thori_(Hesperus)_-_13.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)