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Chronica
(Meinen Schwestern zu eigen)

Mutter und Vater sind im Himmel –
     Amen.
Drei Seelen breiten
Aus stillem Morgenträumen

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Zum Gottland ihre Wehmut aus; –

Denn drei sind wir Schwestern,
Die vor mir träumten schon in Sphinxgestalten
Zu Pharaozeiten; –
Mich formte noch im tiefsten Weltenschoß

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Die schwerste Künstlerhand.

Und wisset wer meine Brüder sind?
Sie waren die drei Könige, die gen Osten zogen
Dem weißen Sterne nach zum Gotteskind.
Aber acht Schicksale wucherten aus unserem Blut.

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Vier plagen uns im Abendrot,

Vier verdunkeln uns die Morgenglut,
Sie brachten über uns Hungersnot
Und Herzensnot und Tod.
Und es steht:

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Über unserem letzten Grab ihr Fortleben noch,

Den Fluch über alle Welten zu weben,
Sich ihres Bösen zu freuen.
Aber die Winde werden einst ihren Staub scheuen.
Satan, erbarme dich ihrer.

Empfohlene Zitierweise:
Else Lasker-Schüler: Gesammelte Gedichte. Verlag der Weißen Bücher, Leipzig 1917, Seite 38. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Else_Lasker_Schueler_Die_gesammelten_Gedichte_1917.pdf/36&oldid=- (Version vom 31.7.2018)