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Kern und Gehalt geprüft wurde, diese Unmittelbarkeit des Kampfmutes verschwunden. Aber die beiden größten Grundkräfte deutschen Gemütes sind geblieben, die ausdauernde, kernechte Kraft des stillgefaßten Entschlusses und die an Hindernissen nicht hinschwindende, sondern erstarkende Gewalt der Ausdauer. Solange der Stimmung die Eindrücke von außen zu statten kommen und in den Dienst sich stellen, ist sie reine Natur; die angeborene Anlage gibt sich zu erkennen, läßt sich in ihrer ganzen Art gehen. Wenn aber die Hindernisse da am meisten erwachsen, wo sie am wenigsten erwartet wurden und so sich einstellen, wie sie nicht vermutet waren, statt der freien fröhlichen Feldschlacht der zäh sich hinschleppende Stellungskrieg einsetzt, der Dank der Heimat schweigsamer und schwächer wird, der wie ein Hochstrom auf die ersten großen Siege hinaus zu den Truppen flutete, sie zu stärken und zu erheben, dann setzt es der ringenden, der Ursprünglichkeit und Kraft sich bewußten Volksseele hart zu: sie, die andere an ihre Kraft und stolze Stärke glauben zu lehren, glauben zu lassen gewohnt war, muß nun an sich selbst glauben lernen, von sichtbaren, greifbaren, leuchtenden und Licht verbreitenden Erfolgen absehen und sich auf sich selbst und die stärksten Kräfte der Innerlichkeit zurückziehen lernen und in Gefaßtheit der Stunden warten, wo sie wieder emporsteigen darf.

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 Soweit die Geschichte deutscher Kriegsführung zurückreicht, ist ihr die rasche Tat, die zu ihr ausreifende Bereitung, die Konzentrierung auf den entscheidenden Schlag am ehesten gelegen. Alles einzusetzen und alles zu gewinnen ist deutsche Art, die selbst Niederlagen weniger scheut als die Aussichtslosigkeit eines unfruchtbaren Belagerungskrieges. Die offene Feldschlacht, als rasch die Aufgabe erledigende, von Druck und Drang entledigende Tat ward dem Manneswesen eigen, das alles auf eines setzte, auch in Gefahr zu verlieren. – Das nun ist in diesem Kriege anders geworden.

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Hermann von Bezzel: Erinnerungen aus Berufsreisen an die Front. Krüger & Co., Leipzig 1917, Seite 25. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erinnerungen_aus_Berufsreisen_an_die_Front_25.png&oldid=- (Version vom 19.7.2016)