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sollen, neben dem einfachen Gebete, wie es die übelgescholtene und doch treuverdiente Zeit des dreißigjährigen Krieges herausgeboren hat, dem Gebete eben der Kirche, das nicht durch subjektive Ergüsse ersetzt werden kann, eben nur die Ansprache. Alle Kriegspredigten in Ehren, ob sie in Sturm geboren heißen oder sind, alle eisernen Worte und Klänge in ihren Würden, aber wirklich trösten kann doch nur die biblische, nicht die allgemein ethische oder gar die patriotische Rede. Ich fürchte, spätere Zeiten werden über die Predigtliteratur des Kriegs ein hartes Urteil fällen; etliche religiöse „Gedanken“, keine wahrhaften Werte, etliche Reflexionen, keine starken, festen Lebensworte, – viel Allgemeines, aber nicht das Eine, was nottut, in der Beleuchtung, die es aus der furchtbaren Gegenwart empfängt. Das Ewige in den Rahmen des zeitlichen, das Unvergängliche in die Feuerprobe der Gegenwartsdinge gegeben – das ist Kriegspredigt, wie es recht ist.

 Die katholischen Kirchen Frankreichs, weniger die des Elsaß und Lothringens, öffneten gastlich einer Predigt die Tore, die sie nicht entweihen konnte, durch manche Kirchen und Hallen war die Zerstörung gegangen, so daß der Prediger wie auf Ruinen stand. In Unterständen draußen im Walde, in einer Lichtung, die von oben vor Fliegerangriffen gesichert war, in Gärten und Parken, auf Straßen und an Zäunen, an Mauern und Rainen konnte der kurze Gottesdienst gehalten werden, der gerne mit dem vollen Segen geschlossen ward: „Du sollst meinen Namen auf mein Volk legen, daß ich es segne“ (4. Mose 6, 27).

 In der großen Kirche zu Valenciennes, die dem Nikolaus von Myra, dem Patrone der Seefahrer und der Kinder geweiht ist, habe ich das heilige Abendmahl verwaltet: wohl etliche hundert Landwehrleute wurden mit dem Worte des Evangeliums vom Lätaresonntag getröstet „das Jerusalem, das droben ist, das ist die Freie, die ist unser aller Mutter“

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Hermann von Bezzel: Erinnerungen aus Berufsreisen an die Front. Krüger & Co., Leipzig 1917, Seite 34. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erinnerungen_aus_Berufsreisen_an_die_Front_34.png&oldid=- (Version vom 19.7.2016)