Seite:Erläuterungen zu den ersten neun Büchern der Dänischen Geschichte des Saxo Grammaticus 373.jpg

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VIII. Starkather. 363


 Starkather[1]:
Schurke! mit flüchtiger Lippe sprichst Worte Du ohne Besinnung,
Redlichen Ohren ein Gräul, Du verlangst für die Führung Belohnung,
Forderst Geschenke für das, was umsonst und gern war zu leisten?

25
Wahrlich ich schreite zu Fuss, und ich gebe nicht schimpflich das Schwert hin,

Kaufe nicht Hilfe von andern; es gab auf das Gehen ein Anrecht
Mir die Natur und hiess mich den eigenen Füssen vertrauen.
Warum verfolgst Du mit Spott und mit Hohn mutwilliger Worte,
Dem Du als Führer des Wegs freiwillig Dich musstest erbieten?

30
Warum bewirfst Du mit Kot, was einst ich gethan, was verdienet

Unauslöschlichen Preis, und lohnst das Verdienst mit Verleumdung?
Warum verfolgst Du mit Lachen den Greis, der doch mächtig im Kampf war,
Und meinen Ruhm, dem nichts sich vergleicht, meine glänzenden Thaten
Lästerst Du frech, Ruhmvolles verkleinernd und Tapfres benagend?

35
Bist Du so tapfer, mein Schwert zu verlangen? nicht ziemt’s Deinen Kräften;

Nein! es gehört nicht der kraftlosen Hüfte, den Händen des Hirten,
Der da gewöhnt auf dem Rohr sein bäurisches Liedchen zu pfeifen,
Obacht zu haben auf’s Vieh auf dem Feld und die Herde zu hüten.
Sicherlich unter den Knechten im Haus, hübsch nahe dem Fetttopf
[272] 272 Tauchst Du die Krumme des Brots in die Blasen der briezelnden Pfanne,
Lässt dann die trockenen Schnitte sich saugen voll öligen Schmeeres,
Leckst mit dem dürstenden Finger verstohlen die siedende Brühe;
Besser verstehst Du den Mantel zu breiten hübsch neben die Asche,

5
Hart an dem Herde zu schlafen, zu schlafen am helllichten Tage,

Eifrig den Diensten der duftigen Küche Dich gänzlich zu widmen,
Als mit dem Speere im Kampf Blut fliessen zu lassen der Helden.
Scheuend das Licht wie die Pest, Liebhaber des schmutzigen Winkels
Bist Du ein elender Sklave des Bauchs, bist gleich Du dem Hündlein,

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Das mit dem Schrot und der Kleie das schmutzige Grobmehl hineinlappt.

Wahrlich nicht hättest Du wohl mich des Schwerts zu berauben versuchet,
Als dreimal ich als Kämpe mit steter Gefahr für das Leben
Diente dem Sohne des Olo; denn stracks in der Schar seiner Mannen
Schlug meine Hand jeden Schild in Stücke, wenn nicht sie das Schwert brach;

15
So stark war und wuchtig ihr Hieb[2] Wie? als ich der Kuren

  1. Zu diesem Liede sehe man Müllenhoff DA 5 S. 331 ff.; dort ist auch nachgewiesen, dass die Verse 27139–27210 nicht Anrede an Hather waren, sondern Schilderung des Hof- oder Viehbesitzers (bubulcus), dass also Saxo die dritte Person hätte anwenden müssen.
  2. Müllenhof a. a. O. 310 Anm. fasst agmen als „Expedition“, [364] „Zug“, expugnator als Besieger und nimmt den Olo als einen sonst unbekannten Gegner des Starkather, der dreimal geboren wird und dreimal besiegt werden muss. So bestechend diese Vermutung auch ist, erscheint sie doch nicht zu halten: Über expugnator lässt sich nicht entscheiden, da Saxo das Wort sonst nicht anwendet, agmen aber bedeutet bei ihm nur: „Schar, Heer“ und auch 2704 ist „nec in agmine quisquam“ weiter nichts als eine Verstärkung des voraufstehenden nemo; die Verse 27214 u. 15 ferner meinen doch sichtlich eine längere Zeit, als die kurze Zeit einer einzelnen Expedition. Der Dichter des Liedes weiss allerdings mehr von Starkather, als Saxo berichtet, wie den Kerr und die Söhne des Ler, und so könnte man denken, dass Saxo auch diesen Kampf mit Olo beiseite gelassen habe; aber sollte sich Saxo wirklich dieses Kraftstück, wo ein Wundermensch im Streite mit Starkather zweimal wieder auflebte und also dreimal zu erschlagen war, haben entgehen lassen? Er würde doch sicherlich ein Gedicht daraus gemacht und seine ganze Kunst entfaltet haben, wenn er es unter den Abenteuern des Starkather gefunden hätte. — In wiefern die Aufzählung der Thaten des Starkather in dem Liede, das dem Saxo vorlag, den Anspruch erhebt, eine historische Folge zu geben, mag dahin gestellt bleiben; auf jeden Fall darf man aber doch erwarten, dass der Dichter, wie er mit Fug und Recht den Abschluss der Heldenlaufbahn Starkathers, nämlich seine Teilnahme an der Brawallaschlacht, an das Ende setzte, so auch die Reihe mit dem Eintritte in dieses Leben begann, das heisst, mit einem Hinweise auf den Aufenthalt Starkathers bei Hako; wie hätte er diese Lehrzeit, die doch zugleich in Starkathers kräftigste Jahre fällt, übergehen dürfen? wird ihr doch im Ingell-Liede 20921 ff. (und noch ausführlicher in der Parallelstelle 21430 ff.) eine hervorragende Bedeutung für die Entwicklung Starkathers beigelegt. Wenn irgend etwas Bedeutendes, so erwartet man doch gerade diese Zeit an der Spitze der Aufzählung. Alle Schwierigkeiten verschwinden, wenn man diesen hier gar nicht zu entbehrenden Hako für den sonst ganz unbekannten Olo einsetzt. Weil von dem andern, bekannten, Olo, den Starkather ermordet hat, an den natürlich hier nicht gedacht werden darf, in dem zweiten Berichte, der dem Saxo vorlag[A 1], und somit in der prosaischen Einleitung, die Saxo aus ihm zusammenschrieb, so viel die Rede war, ist dieser Name dem Saxo in die Feder geflossen, oder es hat ihn auch ein klug sein wollender Abschreiber hingesetzt. (In seiner zurechtgemachten Geschichte lässt Saxo den Starkather zuerst zu Frotho und erst viel später zu Hako kommen; das widerspricht [365] aber der Sage, wie die oben angeführten Stellen aus dem Ingell-Liede erweisen; bei Frotho ist Starkather schon fertiger Kämpe und nimmt nach dem Ingell-Liede 2058 den Ehrenplatz ein.) Aber „ter nati“? Der Dichter des Liedes kannte drei Hako in einem gewissen Zusammenhange: der erste ist der von Saxo als Daniae tyrannus bezeichnete, bei dem Starkather seine Laufbahn begann, und den die Sage wohl in dem Schiffbruche umkommen liess, dessen Saxo 18224 gedenkt; der zweite ist der Hako, den Starkather verlässt, als er gegen Seeland zieht; dieser ist ein Hamundsohn und unter den Hamundsöhnen fand er auch den dritten Hako, nämlich den Hagbarth; er hielt auch den ersten Hako für einen Hamundsohn, und weil sie alle drei denselben Namen führten, betrachtete er sie (oder fand er das alles schon in der Sage?) als Drillingsbrüder, wie ja auch die Drillingssöhne des Westmar (1224 alle drei denselben Namen „Grep“ führen. Die Beifügung nun, welche den Hako im Liede als Drilling kennzeichnete, hätte Saxo in seiner lateinischen Wiedergabe, durch tergeminus geben sollen, er verstand sie aber entweder falsch oder vergriff sich im lateinischen Ausdrucke, setzte ter genitus und für dieses in der Versnot ter nati. Setzt man also Hakonis ein für Olonis und betrachtet ter nati als Missverständnis oder Missgriff Saxos, so ist die Stelle zu übersetzen:

    Wahrlich, nicht hättest Du wohl mich des Schwerts zu berauben versuchet,
    Als ich zuerst als Kämpe mit steter Gefahr für das Leben
    Diente dem Hako, dem Drilling, u. s. w.

  1. S. zu 26829.
Empfohlene Zitierweise:
Saxo Grammaticus: Erläuterungen zu den ersten neun Büchern der Dänischen Geschichte des Saxo Grammaticus. Leipzig: Verlag von Wilhelm Engelmann, 1901, Seite 362. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Erl%C3%A4uterungen_zu_den_ersten_neun_B%C3%BCchern_der_D%C3%A4nischen_Geschichte_des_Saxo_Grammaticus_373.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)