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unverantwortlichste Zeitvergeudung, man zahlt nur mit den bereitliegenden Marken. Erst im Morgengrauen, wenn alle Theilnehmer ohnehin so erschöpft sind, daß sie nicht mehr Kraft genug zur Fortsetzung des Spieles besitzen, erfolgt die Abrechnung.

Und nun das Spiel selbst! Wie elegant, wie gebildet, wie muskelkräftigend! Leute, deren Dialect sonst an alles mögliche Fremdartige, nur nicht an die Sprache der stolzen Britten erinnert, sprechen hier das unverfälschteste Englisch. Man hört nichts als „Full hand“ und „Royal flush“. Nur damit die geliebte Muttersprache nicht ganz zu kurz komme, wird ungefähr von fünf zu fünf Minuten unter den Spielenden ein Streit angezettelt, der dann im kräftigsten und urwüchsigsten Deutsch geführt wird. Und dabei sind die Hände der Spieler ununterbrochen in Thätigkeit. Es ist ein ewiges Mischen, Geben und Nehmen der Karten, Ab- und Zuwerfen der Marken, Greifen in die eigene und fremde Casse, Zahlen und sich Bezahltmachen, ein krampfhaftes Aufeinanderdrücken der erhaltenen Kartenblätter und ein ebenso krampfhaftes ruckweises Abziehen, um die Spannung — nicht der Elektricität, sondern des Spiel-Instincts — künstlich zu steigern.

Nicht umsonst, mein wißbegieriger Leser, habe ich mir diese weitläufige Abschweifung erlaubt, nicht ohne berechtigten Grund Dir die geistreichen Pocker-Spielgesellschaften so eingehend geschildert. Du wirst Dir jetzt eine Vorstellung davon machen können, wie viel Pferdekräfte in Wien brach liegen und welch großartige Verwendung sie finden können. Denke Dir alle diese Pockerspieler in den Dienst unserer Zeitmaschine gestellt, denke Dir jede ihrer Millionen von Bewegungen während des Spieles zur Erzeugung und Speisung eines elektrischen Stromes benützt, und Du wirst einen annähernden Begriff davon erhalten, welche gewaltigen Resultate mit der Zeitmaschine in Wien allein zu erzielen wären. Jeder Pocker-Tisch eine Dynamomaschine, jeder „schöngeistige Salon" eine kleine Centralstation! Denn Männlein und Weiblein, Jung und Alt, alles spielt

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XXX: Die Zeitmaschine (1887). Morgenpost, Wien 1887, Seite 2-2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Extrapost_317_1887-11-28_Die_Zeitmaschine.pdf/6&oldid=- (Version vom 14.9.2022)