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Walther Kabel: Fühlen Tiere Todesangst? In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1912, Bd. 13, S. 218–220

Scheune eingesperrt worden, und dort verrichteten zwei Männer mit eisernen Keulen die Henkersarbeit. Ein Schlag auf die Stelle, wo die Schädeldecke sich zur Schnauze verlängert, führte einen raschen, schmerzlosen Tod herbei. Interessant für mich als Forscher war es – ich bin sonst ein großer Hundeliebhaber und fühlte als Mensch inniges Mitleid mit den bedauernswerten Verurteilten –, das Benehmen der Hunde zu beobachten, die unter den dumpfen Schlägen der Keulen einen der Ihrigen nach dem anderen umsinken sahen. Die wenigsten versuchten, den Henkern zu entschlüpfen. Fast alle standen sie mit hängenden Schwänzen da und stierten vor sich hin. Diese Regungslosigkeit ging so weit, daß man die einzelnen Tiere wie eine tote Masse zur Seite schieben konnte, wobei sie kaum die Beine hochhoben. Dieses seltsame Gebaren machte den Eindruck, als ob die Tiere vor Entsetzen völlig gelähmt wären. Um zu prüfen, ob hier tatsächlich durch Erregung hervorgerufene Lähmungszustände vorlagen, stach ich einigen der Hunde mit einer Nadel in die Haut. Sie reagierten darauf nur durch zuckendes Zusammenziehen der betreffenden Hautpartie. Für mich steht es hiernach fest, daß lediglich die Todesangst diese Gefühllosigkeit hervorgerufen hatte. Später setzte ich diese Versuche in dem Schlachtraume eines Fleischers fort und fand, daß auch bei Schweinen ähnliche Lähmungserscheinungen eintreten, wenn sie dem Schlachten ihrer Artgenossen beiwohnen.

Alle die angeführten Erscheinungen werden offenbar durch die Todesangst veranlaßt, wobei der Blutgeruch als Grund für die aufsteigende Todesfurcht eine bedeutende Rolle spielen mag. Bekanntlich sträubt sich jedes Tier mit aller Macht gegen das Betreten eines Raumes, in dem der Geruch des Blutes seiner Artgenossen die Luft erfüllt, ein Beweis, daß der Dunst des roten Lebenssaftes auf die Tiere eine abschreckende Wirkung ausübt.“

Daß auch bei Pferden deutliche Anzeichen von Todesfurcht zu bemerken sind, wissen wir schon aus den Berichten von Schriftstellern des Altertums. Häufig findet man den angstvollen Schrei des in Todesgefahr befindlichen Rosses erwähnt. Im Kriege 1870/71 wurde von den Teilnehmern an den großen

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Walther Kabel: Fühlen Tiere Todesangst? In: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1912, Bd. 13, S. 218–220. Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart, Berlin, Leipzig 1912, Seite 219. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:F%C3%BChlen_Tiere_Todesangst.pdf/3&oldid=- (Version vom 1.8.2018)