Seite:Faust II (Goethe) 189.jpg

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     Wagest du Scheusal,

     Neben der Schönheit,
     Dich vor dem Kennerblick
     Phöbus zu zeigen?

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     Tritt du dennoch hervor nur immer,

     Denn das Häßliche schaut Er nicht,
     Wie sein heiliges Auge noch
     Nie erblickte den Schatten.

     Doch uns Sterbliche nöthigt, ach

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     Leider! trauriges Mißgeschick

     Zu dem unsäglichen Augenschmerz,
     Den das Verwerfliche, Ewig-unselige
     Schönheitliebenden rege macht.

     Ja so höre denn, wenn du frech

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     Uns entgegenest, höre Fluch,

     Höre jeglicher Schelte Drohn
     Aus dem verwünschenden Munde der Glücklichen,
     Die von Göttern gebildet sind.

Phorkyas.
Alt ist das Wort, doch bleibet hoch und wahr der Sinn:

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Daß Scham und Schönheit nie zusammen, Hand in Hand,

Den Weg verfolgen über der Erde grünen Pfad.
Tief eingewurzelt wohnt in beiden alter Haß,
Daß, wo sie immer irgend auch des Weges sich
Begegnen, jede der Gegnerin den Rücken kehrt.

8760
Dann eilet jede wieder heftiger weiter fort,
Die Scham betrübt, die Schönheit aber frech gesinnt,
Empfohlene Zitierweise:
Johann Wolfgang von Goethe: Faust - Der Tragödie zweiter Teil. Tübingen 1832, Seite 189. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Faust_II_(Goethe)_189.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)