Seite:Faust II (Goethe) 277.jpg

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Faust.
10620
Freiherzige Wohlthat wuchert reich;

Laß deinen Blick sich aufwärts wenden!
Mich däucht Er will ein Zeichen senden,
Gib Acht, es deutet sich sogleich.

Kaiser.
Ein Adler schwebt im Himmelhohen,

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Ein Greif ihm nach mit wildem Drohen.


Faust.
Gib Acht: gar günstig scheint es mir.
Greif ist ein fabelhaftes Thier;
Wie kann er sich so weit vergessen
Mit ächtem Adler sich zu messen?

Kaiser.

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Nunmehr, in weitgedehnten Kreisen,

Umziehn sie sich; – in gleichem Nu
Sie fahren auf einander zu
Sich Brust und Hälse zu zerreißen.

Faust.
Nun merke wie der leidige Greif,

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Zerzerrt, zerzaus’t nur Schaden findet,

Und mit gesenktem Löwenschweif,
Zum Gipfelwald gestürzt, verschwindet.

Kaiser.
Sey’s, wie gedeutet, so gethan!

Ich nehm’ es mit Verwundrung an.
Empfohlene Zitierweise:
Johann Wolfgang von Goethe: Faust - Der Tragödie zweiter Teil. Tübingen 1832, Seite 277. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Faust_II_(Goethe)_277.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)