Seite:Faust II (Goethe) 315.jpg

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Faust (erst ergrimmt, dann besänftigt für sich).

Nimm dich in Acht und sprich kein Zauberwort.

Sorge.
     Würde mich kein Ohr vernehmen

11425
     Müßt’ es doch im Herzen dröhnen;

     In verwandelter Gestalt
     Ueb’ ich grimmige Gewalt.
     Auf den Pfaden, auf der Welle,
     Ewig ängstlicher Geselle;

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     Stets gefunden, nie gesucht,

     So geschmeichelt wie verflucht.
Hast du die Sorge nie gekannt? –

Faust.
Ich bin nur durch die Welt gerannt;
Ein jed’ Gelüst ergriff ich bei den Haaren,

11435
Was nicht genügte ließ ich fahren,

Was mir entwischte ließ ich ziehn.
Ich habe nur begehrt und nur vollbracht,
Und abermals gewünscht, und so mit Macht
Mein Leben durchgestürmt; erst groß und mächtig;

11440
Nun aber geht es weise, geht bedächtig.

Der Erdenkreis ist mir genug bekannt.
Nach drüben ist die Aussicht uns verrannt;
Thor! wer dorthin die Augen blinzend richtet,
Sich über Wolken seines gleichen dichtet!

11445
Er stehe fest und sehe hier sich um;

Dem Tüchtigen ist diese Welt nicht stumm.
Was braucht er in die Ewigkeit zu schweifen!

Was er erkennt läßt sich ergreifen.
Empfohlene Zitierweise:
Johann Wolfgang von Goethe: Faust - Der Tragödie zweiter Teil. Tübingen 1832, Seite 315. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Faust_II_(Goethe)_315.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)