Seite:Faust I (Goethe) 072.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Dort eilt sie hin und fördert neues Leben.

O! daß kein Flügel mich vom Boden hebt,

1075
Ihr nach und immer nach zu streben.

Ich säh’ im ewigen Abendstrahl
Die stille Welt zu meinen Füßen,
Entzündet alle Höhn, beruhigt jedes Thal,
Den Silberbach in goldne Ströme fließen.

1080
Nicht hemmte dann den göttergleichen Lauf

Der wilde Berg mit allen seinen Schluchten;
Schon thut das Meer sich mit erwärmten Buchten
Vor den erstaunten Augen auf.
Doch scheint die Göttin endlich wegzusinken;

1085
Allein der neue Trieb erwacht,

Ich eile fort ihr ew’ges Licht zu trinken,
Vor mir den Tag, und hinter mir die Nacht,
Den Himmel über mir und unter mir die Wellen.
Ein schöner Traum, indessen sie entweicht.

1090
Ach! zu des Geistes Flügeln wird so leicht

Kein körperlicher Flügel sich gesellen.
Doch ist es jedem eingeboren,
Daß sein Gefühl hinauf und vorwärts dringt,

Wenn über uns, im blauen Raum verloren,
Empfohlene Zitierweise:
Johann Wolfgang von Goethe: Faust - Der Tragödie erster Teil. Tübingen: Cotta. 1808, Seite 72. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Faust_I_(Goethe)_072.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)