Seite:Faust I (Goethe) 219.jpg

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Doch lange hält Er das nicht aus.

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Du bist schon wieder abgetrieben,

Und, währt es länger, aufgerieben
In Tollheit oder Angst und Graus.
Genug damit! dein Liebchen sitzt dadrinne,
Und alles wird ihr eng’ und trüb’.

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Du kommst ihr gar nicht aus dem Sinne,

Sie hat dich übermächtig lieb.
Erst kam deine Liebeswuth übergeflossen,
Wie vom geschmolznen Schnee ein Bächlein übersteigt;
Du hast sie ihr in’s Herz gegossen,

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Nun ist dein Bächlein wieder seicht.

Mich dünkt, anstatt in Wäldern zu thronen,
Ließ es dem großen Herren gut,
Das arme affenjunge Blut
Für seine Liebe zu belohnen.

3315
Die Zeit wird ihr erbärmlich lang;

Sie steht am Fenster, sieht die Wolken ziehn
Ueber die alte Stadtmauer hin.
Wenn ich ein Vöglein wär’! so geht ihr Gesang
Tagelang, halbe Nächte lang.

3320
Einmal ist sie munter, meist betrübt,
Empfohlene Zitierweise:
Johann Wolfgang von Goethe: Faust - Der Tragödie erster Teil. Tübingen: Cotta. 1808, Seite 219. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Faust_I_(Goethe)_219.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)