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 Betrachten wir nun, abgesehen von jenen Beschränkungen, das Recht des Weibes im Allgemeinen, zumal in der Ehe.

 Bei der „einfachen Ehe“ blieb das Mädchen (oder die Witwe, die wieder heirathete, was aber bei manchen Völkern verboten war) in der Muntschaft ihres bisherigen Muntwalts: also z. B. ihres Vaters, Bruders, Vaterbruders (die Witwe in der ihres eignen Schwertmagen, also z. B. ihres waffenfähigen Sohnes, oder nach anderen Rechten, des nächsten Schwertmagen ihres verstorbenen Mannes: also z. B. ihres Stiefsohnes): bei der „rechten Ehe“ trat sie in die eheliche Muntschaft ihres Mannes: bei dieser rechten Ehe mußte also der Mann dem bisherigen Muntwalt seine Muntschaft ablösen, was in der Zeit vor Einführung des (römischen) Geldes durch Hingabe einer vertragsmäßig beredeten Zahl von Rossen oder Heerdenthieren, von Waffen, Schmuck, anderer Fahrhabe geschah. Ein „Kauf“ liegt hier gar nicht vor, sondern ein Tausch: ein Recht ist die eine Leistung, Sachen bilden die andere: erst später, seit Einführung des Geldes, wird die Muntschaft als Waare um Geld erworben, also gekauft. Dieser Kauf der Muntschaft gab Anlaß zu der abscheulichen und unmöglichen, aber immer wieder vorgebrachten Behauptung, die Eheschließung der Germanen sei ein „Kauf des Weibes“ gewesen: ein freies Weib kann man aber nach germanischem Recht – was in vorgeschichtlicher Zeit nach vorgermanischem Recht galt, geht uns hier nichts an – so wenig kaufen, als einen freien Mann. Die fraglichen Ausdrücke der Quellen sind eben kurz gedrungen und übertragen: so wenig ein Grundstück eine Person wird, weil bei der Reallast das Recht sagt: „das Gut schuldet,“ so wenig wird der Leib eines freien Weibes Waare, weil das Recht statt der Muntschaft über das Weib das Weib selbst als gekauft nennt. Am wenigsten darf man sich für jene Meinung auf die „Weibermärkte“ berufen, die in Schottland und England bis in unser Jahrhundert hinein bestanden: man wird doch nicht glauben, daß man 1830 ein schottisches Mädchen kaufen konnte, wie eine schottische Kuh: gerade diese von der Verlobung und Erwerbung der Zustimmung des Vaters oder Vormunds gemeinten Ausdrücke zeigen, wie gleiche Wendungen auch der alten Rechtsprache zu deuten sind. Das Muntgeld ward selbstverständlich als Preis der Muntschaft von dem bisherigen Muntwalt erworben; erst später, nachdem diese in ihrer Bedeutung sehr abgeschwächt war, zum Theil, endlich, (unter Einfluß auch des römischen Rechts als donatio propter nuptias) ganz der Braut überlassen. – Das Recht zog bei der einfachen Ehe alle Folgerungen aus dem Satz, daß die Muntschaft nicht abgelöst war: es blieb daher die Frau unter der Muntschaft ihres bisherigen Muntwalts, trat nicht in die eheliche ihres Gatten: und die in solcher Ehe geborenen Kinder kamen nicht in die Muntschaft ihres Vaters, sondern des Muntwalts ihrer Mutter: also z. B. ihres mütterlichen Großvaters oder des Bruders ihrer Mutter.

 Eine Zurücksetzung der Frau in der Ehe kann nach heidnischer Auffassung nicht darin erblickt werden, daß der Begriff des Adulteriums genau

Empfohlene Zitierweise:
Felix Dahn: Das Weib im altgermanischen Recht und Leben. Verlag des Deutschen Vereines zur Verbreitung gemeinnütziger Kentnisse in Prag, Prag 1881, Seite 4. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Felix_Dahn_-_Das_Weib_im_altgermanischen_Recht_und_Leben_-_04.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)