Seite:Felix Dahn - Das Weib im altgermanischen Recht und Leben - 06.png

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später verboten waren, zahlreiche Institute ausgebildet hat, welche sämmtlich die Witwenversorgung bezweckten. –

 Wir betrachten nunmehr die Stellung der altgermanischen Frau im Leben.

 Die Entscheidung, ob es ihr gut oder schlecht ging, war wesentlich, wie bei allen Völkern und zu allen Zeiten, bedingt durch den Stand, genauer gesagt, durch Reichthum oder Armuth ihrer Sippe und ihres Gatten.

 Dem Weibe, den Töchtern des armen Gemeinfreien, welcher, ohne über unfreie Knechte und Mägde zu verfügen, auf schmaler Scholle lebte, ging es hart. Wir dürfen eine gewisse Rohheit der Männer hierbei nicht verschweigen, welche freilich auch – aber doch nur zum Theil – in dem noch harten wirthschaftlichen Kampf ums Dasein begründet war: so eifrig und freudig diese Helden zum Kampf, so lässig und träg waren sie zur Arbeit. Sie wälzten die riesigen Glieder am Heerdfeuer, unendliches „Ael“ (Bier) vertilgend, oder besuchten den Nachbar zu gleichem Zweck oder die Volksversammlung – aber die Arbeit, nicht nur im Hause, auch im Stall und zumal auf dem Ackerfeld, blieb, in Ermangelung von Unfreien, welche nur die Reicheren kaufen und erhalten konnten, den Frauen und Kindern überlassen. Ganz anders dagegen die Stellung und Lebensweise nicht nur der Königin, auch der Edelfrau, selbst der Gattin des reichen Gemeinfreien: sie nehmen neben dem Gemahl den Ehrensitz in der Halle ein: freilich selbst die Königin geht mit dem Trinkhorn umher, den meist geehrten Gästen zuzutrinken. Auch führt sie selbst Spule und Webschiff: aber doch mehr um die Töchter und die Mägde anzuweisen und zu unterrichten, (auch um die Arbeit zu adeln: wiewohl zu solchem Zwecke der König auch einmal die erste Ackerfurche mit dem Pfluge zieht), als zum Zwecke wirthschaftlicher Erwerbsarbeit, welche vielmehr unter solchen Vermögensverhältnissen ausschließend von dem unfreien und etwa auch dem freigelassenen Gesinde getragen ward. Die Hausfrau führt am Gürtel die Schlüssel als Symbole ihrer „Schlüsselgewalt,“ d. h. ihres Rechts den Haushalt zu leiten, das ihr nicht willkürlich entzogen werden kann und in dessen ordnungsmäßiger Uebung sie den Mann durch von ihr eingegangene Verbindlichkeiten zum Schuldner macht.

 Nur sehr mangelhaft sind wir über die Gewandung unserer Ahnfrauen vor und während der Völkerwanderung unterrichtet. Mit Ausnahme von Tacitus hat fast kein römischer oder griechischer Schriftsteller diesen Gegenstand geflissentlich oder auch nur gelegentlich berührt. Antike Bildwerke, Statuen und Reliefs an Siegessäulen und Triumphbogen stellen zwar manchmal kämpfende oder gefangene Barbaren dar, aber seltener Frauen, und in den meisten Fällen ist überhaupt nicht mit Bestimmtheit gerade die germanische Nationalität dieser Gestalten festzustellen; es sind eben nördliche Barbaren insgemein: Kelten, Geten, Daker, Thraker, Sarmaten, darunter – unscheidbar gemischt – Germanen.

 Die Gräber aber und die Scheiterhaufen haben die Stoffe aller Art von Gewandung verzehrt. Die sehr selten in den erhaltenden Torfmoor-Schichten unversehrt bewahrten Gewebe sind meist unbestimmbaren, manchmal

Empfohlene Zitierweise:
Felix Dahn: Das Weib im altgermanischen Recht und Leben. Verlag des Deutschen Vereines zur Verbreitung gemeinnütziger Kentnisse in Prag, Prag 1881, Seite 6. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Felix_Dahn_-_Das_Weib_im_altgermanischen_Recht_und_Leben_-_06.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)