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 Diese Pelztracht ist so charakteristisch für die Germanen und wird so zäh von ihnen festgehalten, daß sie nicht nur in den rauhen Waldländern rechts vom Rhein, bis nach Scandinavien nördlich und bis in die Steppen Rußlands östlich, Jahrhunderte lang herrschend bleibt, sondern daß sogar in dem warmen Italien und Südfrankreich die Gothen noch im fünften und sechsten Jahrhundert wiederholt die „Bepelzten“ genannt und in ihrer „Wildschur“ geschildert werden, in welcher sie Ende des vierten Jahrhunderts das rechte Donau-Ufer betraten und bis in das heiße Griechenland und Kleinasien wanderten. Gewöhnlich verwendete man zu der Wildschur Schaf- und Ziegenfelle; werthvoller waren Katzen- und zumal Marder- und Zobelpelze, welche nur von den Reichen an Festen gezeigt wurden. Die Männer trugen Bären- und Wolfspelze.

 Für die Tracht jener Zeiten und Völker ist mit dem Angegebenen fast Alles erschöpft, was wir wissen; nur vom Schmuck ist manches Stück in den getreuesten Schmuckkästchen, den Gräbern, für uns aufbewahrt worden. Dahin zählen, außer den in sehr großer Zahl erhaltenen „Fibulae“, die Ringe in mannigfaltiger Verwendung und verschieden in Stoff, Form und Arbeit. Die engsten, an den Fingern getragenen Ringen hießen „Finger-Ring“, „Finger-Gold“. Andere, breitere umschlossen das Handgelenk oder, unseren modernen Armbändern entsprechend, den Unterarm, während die breitesten, die „Armringe“, „Armbogen“ (baugar), um den Oberarm getragen wurden, übrigens auch von Männern. Häufig finden sich statt der plattenähnlichen, breiten, aber flachen Bogen, drahtähnliche, schmale, aber dicke Spirale, welche manchmal den ganzen Oberarm bedeckten und, abgehackt und zugewegen, zugleich als Tauschmittel dienten (vor dem Eindringen keltischen und römischen Metall-Münzgepräges). Auch den Hals umgaben oft Ringe, zuweilen mehrere, wohl auch durch senkrechte Stäbchen verbunden, so daß ein dem Wehrkragen des Mittelalters vergleichbares Gefüge entstand. Viel häufiger aber als Halsringe waren Halsketten, oft auch in mehrfachen Schnüren, an deren Stoff und Form man die Fortschritte der Cultur in den verschiedenen Jahrhunderten und bei den verschiedenen Völkern verfolgen kann. Die ältesten, rohesten, der Vormetallzeit angehörigen Ketten bestehen aus bunten Kieseln, Muscheln, Fischgräten, Zähnen von Haien oder von bunten Steinen jeder Art, aus Knöchelchen, Stücken von Horn oder Geweih, Bernstein, Halbedelsteinen, Perlen, aus gebranntem und bunt gefärbtem Thon, Krystall und Glas; dann aus Beeren, Körnern, Kugeln, Ellipsen, Platten, Ringen, Scheiben, Gewinden von Bronze, Eisen, Silber, Gold. Bei den einfacheren Ketten besteht die Anordnung häufig darin, daß das größte, das Prachtstück, etwa auch allein von besserem Stoff, z. B. Bernstein, in der Mitte auf der Brust ruht, während von diesem Mittelstück hinweg nach beiden Seiten hin die Kugeln oder Beeren sich mehr und mehr verkleinern. Unter den Silber- und Goldketten ragen einzelne durch außerordentliche künstlerische Schönheit des Stils und Geschmacks und durch wunderbar vollendete Technik hervor; es sind etruskische Arbeiten. Erst in neuerer Zeit hat man die Bestimmung großer, flacher, oft in erhabener oder vertiefter

Empfohlene Zitierweise:
Felix Dahn: Das Weib im altgermanischen Recht und Leben. Verlag des Deutschen Vereines zur Verbreitung gemeinnütziger Kentnisse in Prag, Prag 1881, Seite 8. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Felix_Dahn_-_Das_Weib_im_altgermanischen_Recht_und_Leben_-_08.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)