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über den Rist gebunden, sondern diese Lederstreifen wurden auch, Gamaschen vergleichbar, in mehrfachen Windungen um die nackte Wade und das Schienbein oder über die Hose geschlungen und unterhalb der Kniekehle festgebunden. Diese Schuhriemen waren vermöge der mehrfachen Umschnürung so lang, daß man sehr wohl, wie an einem Strick, einen Menschen daran aufhängen konnte. Bei Reicheren waren sie mit Franzen und Troddeln geziert und bunt (roth) gefärbt oder glänzend weiß. Auch der Schuh selbst war manchmal, wie Moorfunde zeigen, mit eingelegter Arbeit, mit allerlei Ornamenten an den Seiten, der Ristdecke, den Riemenansätzen geschmückt; doch gab es auch Sandalen-Leder ohne Ristdecken. Das Anziehen und Zuschnüren der Schuhe besorgten reichen Frauen und Männern besondere Schuhmädchen und Schuhknechte. Von den im Norden viel gebrauchten Schlittschuhen sind wohl zu unterscheiden Eisschuhe, d. h. gewöhnliche Schuhe, unter deren Sohlen Eisenstacheln geschraubt wurden, wie sie in unseren Bergen heute noch gebraucht werden.

 Der Rock (Kyrtil), eng anliegend, bald ärmellos, bald kurzärmelig bis an den Ellenbogen, bald langärmelig bis an die Handknöchel, war von Wolle, Tuch, gewöhnlich braun oder grau, im Winter von Pelz.

 Zwei Gürtel sind zu unterscheiden: zunächst der untere, welcher die Bruch über den Hüften zusammenhielt. Trug man zur Sommerzeit im Hause nur die Skyrta, so hingen oder staken Schwert und Messer des Mannes an oder in diesem Hosengürtel. Diente dieser nur dem praktischen Zweck - er ward nicht gesehen, daher auch nicht geschmückt - so war der obere (sichtbare) Gürtel, der die Kyrtil umschloß, ein Zierstück, an welchem Reichthum, Geschmack und Schönheitssinn sich gern voll und glänzend zeigten; zum Stoff wählte man feineres, sorgfältiger gefärbtes Leder, als für den Hosengürtel.

 Der Ledergürtel war dann in ältester Zeit behängt oder besetzt mit symmetrisch gereihten Thierzähnen, Halbedelsteinen, Bernsteinperlen, später mit Gold- oder Silber-Zieraten; aber auch Metallgürtel von Bronze sind gefunden. Silber- und Goldgürtel werden als Prachtgürtel erwähnt. Manchmal gab man dem Obergürtel eine in der Mitte der Brust spitz emporsteigende Form, an beiden Seiten ausgerundet. Hieraus ist das „Mieder“ entstanden, wie es baierische und almannische Bäuerinnen heute noch tragen; auch der reiche Schmuck des Mieders mit Schnurwerk, Gold- und Silber-Ketten, Münzen geht auf jenen alten Obergürtel und seine Verzierung zurück.

 An dem Obergürtel trugen Frauen (auch Mädchen) die Schlüssel, erstere als Symbole der „Schlüsselgewalt“, d. h. des Rechtes, den Hausstand zu verwalten. Auch Scheere, Messer, Geldbeutel, ein Täschchen für allerlei kleines Geräth (von Leder, Leinewand oder Wolltuch) trug man am Gürtel.

 Uebrigens fehlte es dieser Tracht durchaus nicht an Mannigfaltigkeit. Ueber den ganzen Anzug von Skyrta und Kyrtil warf man im Winter auf Land- und Seereisen noch verschiedenartige (man zählt mehr als zehn Namen und Formen) Pelz-, Wadmal- oder Tuch-Mäntel, ärmellos, auf den Schultern durch Spangen befestigt, an den Enden mit Borten besetzt, bis

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Felix Dahn: Das Weib im altgermanischen Recht und Leben. Verlag des Deutschen Vereines zur Verbreitung gemeinnütziger Kentnisse in Prag, Prag 1881, Seite 11. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Felix_Dahn_-_Das_Weib_im_altgermanischen_Recht_und_Leben_-_11.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)