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 Der Inhalt des Briefes im einzelnen ist folgender:

 Eingang 1, 1–5. Er enthält (v. 1–4) den ganzen Brief im kleinen.

 I. Der apostolische Beruf des Paulus und die Göttlichkeit seiner Lehre c. 1, 6 bis 2, 14.

 Nachdem der Apostel seinen Lesern (v. 6–10) die ganze Schärfe des Gegensatzes zwischen ihm und den Irrlehrern fühlbar gemacht hat, deren Lehre er eine Verkehrung des Ev. nennt, um deretwillen er sie mit dem Anathema belegt, wahrt er zunächst seine volle apostolische Autorität (c. 1, 11–2, 14) durch Hinweis auf die Unmittelbarkeit seiner Bekehrung, Berufung und Erleuchtung und seine daraus folgende apostolische Selbständigkeit. Er erinnert an drei Thatsachen seiner Lebensgeschichte, 1. daran, daß er durch den HErrn selbst bekehrt und zum Apostel berufen worden sei, in völliger Unabhängigkeit von der jerusalemischen Muttergemeinde und ihren Aposteln (c. 1, 13–24), 2. daß die andern Apostel in Jerusalem seinen selbständigen apostolischen Beruf an den Heiden feierlich anerkannt haben (2, 1–10), ja, 3. daß er das Haupt der Apostel Israels, den Petrus, strafen durfte, weil er in Antiochien die Heidenchristen, die er durch Pflege der Tischgemeinschaft erst als Brüder anerkannt, hernach verleugnet hatte (2, 11–14).[1] Aus alledem folgt ja der selbständige und unmittelbar göttliche Beruf des Paulus neben dem der übrigen Apostel.

 II. Der Beweis für die Richtigkeit der Lehre des Paulus 2, 15–5, 12.

 Das Verständnis von 2, 15–21 hängt davon ab, ob man in diesem Abschnitt eine Fortsetzung des dem Petrus von Paulus gemachten Vorhalts sieht oder nicht. So viel ist klar, daß Paulus auf Grund seiner und aller Judenchristen Erfahrung – von der Gerechtigkeit allein aus Glauben – es als ungereimt bezeichnet, von den an JEsum gläubig gewordenen Heidenchristen noch Erfüllung des Gesetzes zu verlangen, während doch durch den Tod Christi das Verhältnis des Christen zum Gesetz gelöst ist. Von c. 3 an beweist der Apostel den Galatern die Thorheit ihrer Rückkehr unter das Gesetz

 1. aus ihrer eigenen Erfahrung, welche ihnen sagt, daß sie den Geist des neuen Lebens empfangen und seine sichtbaren, wunderbaren Erweisungen gesehen haben, infolge des Glaubens, nicht aber auf Grund gesetzlichen Thuns (3, 2–5); 2. aus der h. Schrift und Geschichte. Der Anfang einer Gemeinde Gottes auf Erden stammt von dem Glaubensgehorsam ihres Ahnherrn (3, 6–7), und die demselben gewordene göttliche Zusage dehnt die Verheißung


  1. Zum Verständnis dieses viel mißverstandenen und mißbrauchten Abschnitts ist zu bedenken, 1. daß des Petrus Fehler kein Irrtum in der Lehre, sondern eine Schwachheit im Leben – Verleugnung besserer Einsicht aus falscher Rücksicht auf Menschen – war, 2. daß um der prinzipiellen Tragweite der Sache willen das scharfe Auftreten des Paulus in Antiochia, dem Mittelpunkt der Heidenchristenheit, notwendig war, 3. daß die Erzählung dieses Konflikts dem Apostel durch die Irrlehrer abgenötigt war, welche, um bei den Galatern leichter Eingang zu finden, sich offenbar auf Petrus beriefen und dessen (höheres) Ansehen gegen das des Paulus z. T. unter Verdrehung der angeführten Thatsachen aus seinem Leben auszuspielen versuchten.