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Apostel mit dem Gesagten niemandes Freiheit beschränken (32–35), auch nicht in den zwei besonderen v. 36–38 und 39–40 besprochenen Fällen.

 2. In Betreff der Teilnahme an den Götzenopfermahlzeiten (c. 8 bis 10) entscheidet nicht bloß die richtige Erkenntnis, welche dem Christen sagt, daß Götter nicht existieren außer dem einen Gott, sondern auch und vor allem die Liebe, welche Rücksicht nimmt auf das Gewissen der Schwachen, die noch in der Vorstellung befangen sind, als sei in gewissem Sinn der Götze etwas Reales, und die daher nicht durch den Vorgang der Freieren zu einem Thun verleitet werden dürften, das ihnen Sünde sei (c. 8). Das richtige Verhalten hinsichtlich des Gebrauchs der christlichen Freiheit zeigt des Apostels Beispiel: er hätte Macht, ein Weib mit sich zu führen und durch diejenigen, welche er geistlich versorgt, sich leiblich versorgen zu lassen; aber er thut nicht das, was er kann, sondern das, was zur Förderung für jene gereicht, welchen er zu dienen sich bemüht (9, 1–23). Übrigens hat die Teilnahme an den Götzenopfermahlzeiten als heidnischen Lustbarkeiten, doch ihre Gefahr, vor der man sich auch um des eigenen Seelenheils willen (9,24–27) zu hüten hat, wie das Beispiel des Israels des Wüstenzuges zeigt – nämlich die Gefahr, in heidnisches Thun und Treiben mit hineingezogen zu werden (c. 10, 1–13). Dazu kommt, daß Götzenopfermahlzeiten wegen ihres nicht bloß geselligen, sondern gottesdienstlichen Charakters in Beziehung mit den Dämonen setzen, so daß eine Beteiligung des Christen an ihnen unthunlich erscheint (v. 14–22). Damit sind die Grundlagen für die Verbescheidung der beiden kasuellen Fragen v. 25, 26 und 27, 28 (wo es sich um private Einladungen handelt) gegeben (23–33).

 Es folgen Belehrungen und Zurechtweisungen über

 IV. Gute Ordnung des christlichen Gemeindelebens c. 11–14.

 1. Die verheirateten Frauen sollen c. 11, 1–16 in den Versammlungen den (nach damaliger Volkssitte bräuchlichen) Schleier als Zeichen ihrer Untergebenheit unter ihre Männer tragen.[1]

 2. Das parteiische, unbrüderliche Wesen, das in der Gemeinde herrscht, und sich auch bei der Feier des hl. Abendmahls zeigt, welches überhaupt nicht in einer dem Ernst seiner Stiftung und seiner Bedeutung als Gedächtnis des Todes JEsu entsprechenden Weise begangen wird, ist abzuthun (c. 11, 17–34).

 3. Auch bezüglich der richtigen Würdigung (gottesdienstlichen Verwertung) der wunderbaren Geistesgaben bedarf die Gemeinde der Weisung und Zurechtweisung. Grundleglich geht der Apostel davon aus, daß die Mannigfaltigkeit derselben die Einheit und Eintracht der Gemeinde nicht störe noch stören dürfe (c. 12, 1–11). Denn wie der Organismus des Leibes sehr mannigfaltiger Glieder


  1. Der Apostel will hiermit wohl überhaupt alle weiblichen Emanzipationsgelüste bekämpfen, welche im Namen des Christentums, auf Grund der Gleichheit aller Christen vor Gott, den durch die Schöpfungsordnung gesetzten Unterschied der Geschlechter und die Unterordnung des Weibes unter den Mann aufheben wollen.