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(9, 1–10). Der Erfolg des Wirkens läßt sich nicht erzwingen, auch die beste Befähigung verbürgt ihn nicht, ein unberechenbares Verhängnis vereitelt schließlich alles (9, 11–12).

 Es folgen nun in nur loser Gedankenverknüpfung mit dem Vorhergehenden und unter sich allerlei Erlebnisse und Sprüche, welche die Weisheit betreffen und die Gegensätze, die ihr in den Weg treten (9, 13–10, 15). Dann hebt Koheleth mit einem Spruche von Königen und Fürsten guter und schlechter Art von neuem an; die Völlerei führt auf die Faulheit, und im Gegensatz zu dieser – aber so, daß sich die Warnung dazwischen schiebt, dem Könige nicht zu fluchen – folgen Ermahnungen zu unternehmender und sich vorsichtig deckender, aber auch kühnlich wagender und alles versuchender Thätigkeit, denn die Zukunft ist Gottes und nicht zu berechnen (10, 16–11, 6). Das Licht ist süß, das Leben, so lang es auch sein mag, im Hinblick auf die um vieles längere ungewisse finstere Zukunft wert, daß man sich seiner freue (11, 7. 8). So ist Koheleth am Ende dieser letzten Spruchreihe bei der Losung des Buches angelangt; er gestaltet sie in der Aufforderung an den Jüngling, sich seines Lebens zu freuen, aber ohne Gottes zu vergessen, dem er es verdankt und dem er Rechenschaft zu geben hat, ehe denn ihn Greisenalter und Tod überkommen, zu einem volltönenden Schluß (11, 9–12, 7). Das letzte Wort des Buches 12, 8 lautet wie das erste (1, 2): „O Eitelkeit der Eitelkeiten, alles ist eitel.“

 Ein Epilog von gleicher Hand mit dem Buche besiegelt dessen Wahrheit: es ist aus Salomos Seele geschrieben, aus gleichem Urquell der Weisheit geflossen: der Leser soll sich nicht in viel Bücherlesen verlieren, denn die Summe alles Wissenswürdigen für den Menschen reduziert sich auf den einen Satz: Fürchte Gott, denn alles Thun unterliegt seinem Gerichte 12,9 ff.


§ 38.
Das Hohelied.

 1. Der hebräische Name heißt „Lied der Lieder“, darnach die Vulg. Canticum Canticorum.

 2. Als Verfasser wird 1, 1 Salomo genannt. Diese Angabe stimmt ganz zu der Sprache des Buchs, welche durchaus großartig und namentlich reich an herrlichen Bildern aus der Natur ist. Vgl. 1 Kön. 4, 29–-33.

 3. Gegenstand des Hohenlieds ist dem Wortlaut nach die Schilderung der Liebe zwischen Salomo und Sulamith. Es fragt sich aber, ob es sich hiebei um nichts anderes, als um eine rein natürliche, wenn auch ideale Liebe handle, oder ob dem Verfasser ein solches Verhältnis nur als Allegorie zur Darstellung eines höheren dienen sollte. Die letztere Auffassung ist die der Synagoge. Sie nennt das Hohelied „hochheilig“, geheimnisvoll. Indes gab es