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bestimmte Gewißheit erhält, daß sie von Gott selber herrühre (vgl. 1 Sam. 3, 10). Eigene Thätigkeit des Propheten auf Grund der erfahrenen Anregung und in den Schranken derselben, ist nicht ausgeschlossen, vgl. die Fürbitten und Gebete derselben, wie ihre Gespräche mit Gott; auch ist der Prophet kein bloßer Botschaftsträger zwischen Gott und Menschen; von dem was er sieht und hört, wird sein Gemüt auf das tiefste erregt, er durchlebt gewissermaßen die Ereignisse und Zustände, die er weissagt, nach ihrer freudigen, wie traurigen Seite. Der Prophet steht nicht außerhalb der Geschichte, sondern in derselben; aber sein Blick ist durch den Horizont der Zeitgeschichte nicht begrenzt (vgl. die speziellen Weissagungen auf Christum). Jeder der Propheten hat seine besondere Eigentümlichkeit; sie stammt aus der Schöpferhand Gottes, der den Propheten zu einem bestimmten Werk ausersehen und daher auch für dasselbe ausgerüstet und zubereitet hat. Die Rede des Propheten in Drohung wie Verheißung ruht auf den geschichtlichen Grundlagen der Verheißungen der Vorzeit und der göttlichen Forderungen im Gesetz; sie sind zeitgemäße Entfaltung und Anwendung beider; unter sich selber stehen die Propheten im engsten Zusammenhang.

 2. Es gibt verschiedene Formen, wie der Offenbarung, so der Weissagung: a) die prophetische Rede, in welcher das Wort göttlicher Einsprache wieder ausgesprochen wird; b) das Bild, in welchem der Prophet beschreibt oder malt, was Gott ihn schauen ließ (Vision); c) die symbolische Handlung, in welcher der Prophet an seiner Person darstellt, was Gott ihn geheißen, damit das Volk an dem Propheten sehe, was es selber ist oder werden soll.

 3. Die Prophetie selbst ist älter, als die prophetischen Bücher. Da sie das Mittel der Offenbarung Gottes an die Menschen ist, so ist sie so alt, als die Offenbarung selbst. So erscheint Noah als Prophet; die Patriarchen heißen Propheten; Moses ist der Prophet des alten Bundes ohne gleichen. Seit Samuel aber wird die Prophetie ein ständiges Amt im Volke Gottes, und die Propheten bilden einen eigenen Stand. Sie vereinigen sich zu Gesellschaften und Schulen, leben gemeinsam und werden die Mittelpunkte des geistlichen Lebens und die Träger der heiligen Überlieferung. Ihre Lebensweise entspricht der Würde und dem Ernste ihres Amtes.[1]

 4. Die Prophetie hat die Aufgabe, gemeinschaftlich mit dem


  1. Vgl. 1 Sam. 10, 5 ff., 19, 18 ff,. 2. Kön. 6, 1 f. mit 2, 3 ff. 4, 38 ff. - 1 Kön. 20, 35; 2 Kön 2, 3–15 u. a. – 1 Sam. 28, 14; 2 Kön 1, 8 vgl. Sach. 13, 4; Math. 3, 4; Hebr. 11, 37.