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Königtum das Volk Gottes zu leiten. Wo immer das Verhältnis zwischen Prophetie und Königtum das richtige war, da war jene der Mund, dieses die Hand Gottes, oder: was die Propheten als den Willen Gottes verkündigten, das vollzogen die Könige. Zum Beweis hiefür dient das Verhältnis zwischen Samuel und Saul, Nathan und David. Dieses von Gott gewollte Verhältnis wurde aber bereits in der ersten Periode des Königtums durch den Ungehorsam des Königs Saul gegen die Weisung des Propheten Samuel getrübt. In der zweiten Periode des Königtums aber, nämlich seit der Trennung des Reichs, traten Prophetie und Königtum fast immer in Gegensatz zu einander. Da die Könige ihre eigenen Wege und nicht mehr die Wege Gottes gingen, so mußten die Propheten als die Vertreter Gottes wider sie predigen. Sie waren zuerst nur Zeugen, zuletzt Blutzeugen (Martyrer) der Wahrheit. Mit der Aufgabe, das Volk zu leiten, hängt es zusammen, daß sie bestrebt sind, dem Volk stets seinen besonderen Charakter zum Bewußtsein zu bringen, es zu richtiger Beurteilung seiner selbst und seiner jeweiligen Zustände aufzuklären, zu entsprechendem Handeln aufzufordern, den Gang, den seine Entwicklung nehmen würde, zu enthüllen, den Ratschluß Gottes über sein Volk zu offenbaren und durch all dieses auf die verheißene herrliche Zukunft des Reiches Gottes dasselbe vorzubereiten und es dafür tüchtig zu machen. Mit Recht werden sie deshalb unter die Grundleger und Baumeister des geistlichen Tempels Gottes gerechnet. (Eph. 2, 20.)

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 Übrigens war die Art und Weise ihrer Wirksamkeit innerhalb dieser Periode eine sehr verschiedene. 1. Die älteren Propheten sind ausschließlich mit den inneren Angelegenheiten Israels beschäftigt, ohne noch die in Israels Geschichte verflochtene Geschichte der Völkerwelt in ihren Bereich zu ziehen; ihre Weissagungen richten sich ausschließlich an König und Volk der beiden Reiche, noch nicht an ein fremdes Volks; die jüngeren Propheten aber verkünden Israels und der Völkerwelt Geschick. 2. Bis in die Regierungszeit des Joas wirken die Propheten durch die überwältigende That, wie besonders Elia und Elisa, erst von da an mehr durch das überzeugende Wort, durch Rede oder Predigt. 3. Deshalb haben wir auch erst von den späteren Propheten Weissagungsschriften, während die älteren