Seite:Ferdinand Wilhelm Weber - Kurzgefaßte Einleitung in die heiligen Schriften (11. Auflage).pdf/154

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wurde Israels Untergang durch die untheokratische Politik seiner Könige. – Zur Zeit des Propheten war die Geschichte Israels wie der gesamten Menschheit an einem großen Wendepunkt angelangt. Es erstand damals das wichtigste geschichtliche Gebilde innerhalb der natürlichen Menschheit, das Weltreich, mit dem Streben, alle Völker sich, als der höchsten Macht zu unterwerfen. Hiemit stellte es sich dem in Israel sich entwickelnden Gottesreich entgegen. Wie wird sich das Gottesvolk dazu stellen? Wird es gleichfalls dieser scheinbar höchsten Macht auf Erden huldigen oder wird es sich ihr gegenüber als das Gottesreich erweisen und bekennen? Das Volk Gottes hat seinen Beruf nicht erfüllt. In der Bedrängnis war seinem Könige die Weltmacht ein besserer Bundesgenosse als sein Gott, der durch Jesaja seine Hilfe angeboten hatte c. 7, und nachdem Gott durch wunderbare Errettung unter Vermittlung des Propheten vor aller Welt seine Herrlichkeit kund gethan hatte, unterließ es Hiskia doch, vor der Welt ihm die Ehre zu geben und ihn als alleinigen Helfer zu bekennen c. 39. So kam das Gericht, nicht ohne daß zweimal die Möglichkeit der Errettung wäre geboten gewesen. So wird Jesaja ein Prediger des Gerichts. Aber untergehen kann Israel nicht, denn es ist Gottes Volk. Das Gericht dient zur Läuterung. Israel wird in die Gewalt der Weltmacht, von der es sich nicht geschieden gehalten hat, hingegeben; wenn es aber in seiner Gefangenschaft zur Einsicht und Umkehr gekommen ist, so wird es von seinem Gott mit mächtiger Hand erlöst und der verheißenen Herrlichkeit entgegengeführt werden. Schließlich ist der Trost das Überwiegende in der Verkündigung des Propheten. –

 Es hat also Israel seinen Beruf nicht erkannt, seine Aufgabe nicht erfüllt, wider seine Bestimmung sich einmal und noch einmal verfehlt. Da mußte das angedrohte Gericht kommen.

 Dies ist der geschichtliche Boden, in dem Jesaja wurzelt. Er gehört mit seiner Thätigkeit zunächst seinen Zeitgenossen. Im Auftrag Gottes geht er hin c. 7, um in Ahas Glauben zu erwecken. Die ganze Geschichte Israels hätte eine andere Wendung genommen, wenn dies gelungen wäre. Aber Ahas versagte, er hing sich an Assur, damit brachte er Juda an den Rand des Untergangs. Jesaja sah die ganze Reihe der unglücklichen Folgen voraus, aber er sah