Seite:Ferdinand Wilhelm Weber - Kurzgefaßte Einleitung in die heiligen Schriften (11. Auflage).pdf/209

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ist ihm Israel (ca. 17 mal). Gott läßt zwar predigen, aber mehr zum Zeugnis; sein auf das Heil der Menschen gerichtetes Streben äußert sich nicht sowohl in liebreichem Locken, als vielmehr darin, daß er warnen läßt, und dadurch vor Untergang bewahren will. – Zum andern tritt in dem Propheten Ezechiel ein deutliches Bewußtsein und eine tiefe Empfindung von Gottes Erhabenheit hervor. Dem HErrn ist seine Arbeit an seinem Volk fehlgeschlagen, deshalb ist Schmach auf seinen Namen gekommen; aber dieser Umstand hat keinen niederbeugenden Eindruck auf den HErrn gemacht, vielmehr erscheint gerade in unserem Propheten seine ungebrochene Hoheit und allgewaltige Majestät. Gott bedurfte Israels nicht. Aus souveränem Erbarmen hat er sich einst Israels angenommen, aus Rücksicht auf die Ehre seines heiligen Namens stellt er es wieder her, zu Israels ewiger Beschämung; denn Jerusalem hat in Versündigung Sodom hinter sich gelassen, daher auch dieses wieder hergestellt wird. So erscheint Gott durchaus als der souverän Erhabene, der Abstand, der zwischen Schöpfer und Geschöpf besteht, tritt hervor, auch dem eines persönlichen Umgangs gewürdigten Propheten soll derselbe zum Bewußtsein kommen, daher auch speziell in unserm Propheten die Anrede: Du Menschenkind (ca. 90mal). Das Schreckliche, welches diese Majestät für den Menschen haben kann, wird durch den Hinweis, daß dieser große Gott gegen das Verderben des kleinen Menschen nicht gleichgültig sei, sondern das Heil jedes einzelnen Sünders wünsche, ihr genommen. Hiemit hängt eine andere Eigentümlichkeit des Propheten zusammen, sein Individualismus: jede einzelne Seele hat einen selbständigen Wert vor Gott, Leben und Tod ist in die persönliche Entscheidung gestellt; daher hat der Prophet über jeden Einzelnen zu wachen.

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 Durch die Reden Ezechiels geht eine tiefe Erregung des Gemüts; aber er weiß dieselbe zu bemeistern. Immer ist er besonnen, nüchtern; über dem Großartigen, das ihm erscheint, verliert er nicht den Blick für das Einzelne. Er zeigt eine gewaltige Kraft in der Durchführung eines Gedankens. Tief greift sein Amt in sein persönliches Leben ein. Sein Weib stirbt ihm zum Zeichen für den Fall Jerusalems und er darf nicht klagen. Da zeigt er eine gestählte Natur. Auch seine zeitweilige körperliche Gebundenheit (wie sie sonst bei Starrsucht