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Eindrücke hin, die der Prophet in Chaldäa empfangen hat. In diesen Allegorien, welche zahlreich und zwar bis ins Einzelste ausgeführt bei unserem Propheten vorkommen (vgl. c. 16, c. 17, 1–10 und v. 22–24; c. 19, c. 27, c. 31), zeigt sich das dichterische Vermögen unsers Propheten, während er von dem Lied- und Psalmenton Jesajas und anderer Propheten nichts bei sich wahrnehmen läßt. – Außerdem ist die Fülle symbolischer Darstellungen ein wesentlicher Charakterzug der Weissagung Ezechiels. Die Allegorien, den symbolischen Darstellungen verwandt, bilden ein Mitglied zwischen diesen und den anderen Reden. Reich ist er auch an stets wiederkehrenden charakteristischen Formeln und Ausdrücken (vgl. z. B. 2, 5 ff.; 3, 9; 12, 2 ff.; 33, 33 u. s. f.)

 6. Wie die Wirksamkeit, so zerfällt auch das Buch des Propheten in zwei Hauptabschnitte. Nach der Einleitung zum Ganzen c. 1–3 folgt der erste Teil. Er umfaßt die Reden vom Gerichte über Jerusalem und die Heiden (c. 4–32). Der zweite Teil aber enthält die Verkündigung der künftigen Herrlichkeit des Volkes Israel (c. 33–48). Wider Babel und seinen König, unter dessen Obrigkeit Ezechiel mit den Exulanten lebte, hat er keine Weissagung.

 Erwähnt sei noch, daß das Buch Ezechiels auch in den S. 24 f. geschilderten Verhandlungen über die Quellen des Pentateuch eine Rolle spielt. Nach Reuß, Graf, Wellhausen und ihren Anhängern ist es nämlich nicht nur älter als der sog. Priesterkodex, sondern ist dieser, wenn auch nicht gerade von Ezechiel verfaßt, so doch in Fortbildung des von Ezechiel (besonders c. 40–48) Angebahnten entstanden. In der That besteht zwischen Ezechiel und besonders dem 3. Buch Moses ein enger Zusammenhang. Aber Ezechiel macht nicht den Eindruck eines Chorführers beginnender Gesetzes-Niederschreibung, dessen Ansätze von Nachfolgern zu einem System erweitert worden wären, sondern den gegenteiligen. Er operiert mit den in Levitikus niedergelegten Anschauungen als mit bekannten; seine Abweichungen vom mosaischen Gesetz lassen nicht auf das Fehlen eines schriftlichen Gesetzes schließen (vgl. oben Nr. 4), was auch gegen alle geschichtliche Analogie wäre (vgl. die Bemerkungen zum Pentateuch). Wie wenig es angeht, den Priesterkodex eine Fortbildung Ezechiels sein zu lassen, zeigt ein Blick auf die Verordnungen beider in Betreff des Priestertums. Wellhausen sagt (Proleg. S. 122 etc.): Die Unterscheidung der Priester von den Leviten datiere erst von Ezechiel. Durch die Bevorzugung und das Übergewicht des „königlichen“ Heiligtums in Jerusalem mit seinen Priestern aus dem Haus Zadok seien die Priester der provinzialen Heiligtümer (der Höhen) um ihr Priestertum gekommen. Dieser Logik der Thatsachen hänge Ezechiel c. 44, 6–16