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 Anmerkung 1. Ein wichtiges Zeugnis für die Herstellung des Kanons durch Esra und Nehemia aus späterer Zeit finden wir im 2. Makk. 2, 13 f. Es wird hier nämlich gesagt, daß Judas der Makkabäer dem Nehemia darin glich, daß er wie dieser sorgsam die alte Nationallitteratur sammelte und so rettete. Der Berichterstatter beruft sich in betreff Nehemias auf alte Akten und Gedenkbücher, welche erzählen, wie Nehemia, eine Bibliothek begründend, die mancherlei heiligen Schriften zusammenbrachte. In der Nennung derselben ist auch hier die Aufeinanderfolge der drei Hauptteile des Kanons erkennbar, selbstverständlich der Kanon vorausgesetzt.

 Anmerkung 2. Beachtenswert als Zeugnis späterer Zeit ist auch das Zeugnis des Josephus (contra Apionem I. § 8). Nachdem er gesagt hat, daß die schriftstellerische Thätigkeit im jüdischen Volke von jeher dem in reiner uralter Abfolge sich fortsetzenden Priesterstande und den durch göttliche Inspiration befähigten Propheten befohlen war, fährt er fort, daß das jüdische Volk nicht Myriaden sich widersprechender Bücher besitze, sondern nur 22, welche die gesamte alte Geschichte enthalten und mit Recht für göttliche gehalten werden. Jene 22 Bücher seien unverletzt überliefert und unantastbar; jeder Jude halte sie von Kindheit für Gottes eigenes Wort, stütze sich darauf und sei bereit, wo nötig, darob zu sterben. Er zählt hier 22 Schriften nach Zahl der Buchstaben des hebräischen Alphabets und, was von großer Wichtigkeit, er schließt die Apokryphen aus, obwohl er sich in seinen Citaten ebenso wie Philo, an die Septuaginta (s. § 18) anschließt. In Bestimmung der Grenze der kanonischen Schrift setzt er voraus, daß die Geschichte des Buches Esther unter Artaxerxes Longimanus falle, und daß die später erschienenen Schriften, besonders wegen des unterdes erloschenen Prophetentums, nicht auf gleiches Ansehen Ansprüche machen können.


§ 5.

 Der Kanon des A. T.s gliederte sich in drei Hauptteile: Thora (Gesetz), Nebiim (Propheten) und Ketubim (andere Schriften mannigfaltigen Inhalts). Für den dritten Teil finden wir auch den Ausdruck: „die Psalmen“, weil sie die dritte Abteilung beginnen (s. o.) oder „die anderen Bücher“. Nach diesen drei Hauptteilen wurde der Kanon auch bezeichnet.

 Soferne nun aber dieses Schriftganze die Schrift im einzigartigen Sinne war, nannte man es bald „das Buch“, „die Bücher“, oder auch „Mikra“ = das Buch, das man vorzüglich lesen soll, wie denn lesen in der Mischna geradezu heißt: die Schrift studieren; am häufigsten jedoch ist die Benennung: „die heiligen Schriften“. Diese Bezeichnungen finden sich oft im Talmud. – Die christliche Kirche aber benannte – nachweisbar seit Ende des II. Jahrhunderts –