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zwischen dem Volke Gottes und den Völkern der Welt aufgehoben ist, und diese, wie die Propheten auch sonst einstimmig bezeugen, mit Israel in gottesdienstliche Gemeinschaft treten, ja auch gleichen Teil am Lande haben (47, 22 f.), so bedarf es nun auch eines größeren äußeren Umfanges des Tempels und der dazu gehörenden Gebäude, um die neue Gemeinde aufzunehmen; nachdem durch Vergebung der Sünden der neue vollkommene Bund hergestellt ist, fällt nun auch der Unterschied zwischen dem Heiligen und Allerheiligsten weg, und der ganze Tempel ist wie ein Allerheiligstes; aus gleichem Grunde ist auch von einer Bundeslade keine Rede mehr, wird ferner kein Hohepriester von den Priestern mehr unterschieden und fällt auch der große Versöhnungstag von selbst weg. Dafür wird neben dem Passah und Laubhüttenfest ein neues Fest eingesetzt, am 1. und 7. Tag des ersten Monats im Jahr, wo eine feierliche Sühnung des Heiligtums stattfinden soll, um solcher willen, die aus Versehen oder Einfalt gesündigt haben (45, 18–20). Nachdem die Sünde der Stämme vergeben worden ist, hat keiner mehr vor dem andern etwas voraus, sondern alle erhalten gleiche Teile; der Fürst aber, damit er das Volk nicht bedrücke, erhält seinen besonderen Teil. Endlich ist das Land selbst ein anderes geworden, indem alle Spuren des göttlichen Fluches ausgetilgt sind. Deshalb macht ein vom Tempelberg ausströmendes Wasser das tote Meer gesund und das untere Kidronthal fruchtbar. – Betrachtet man das Einzelne unter solchen Gesichtspunkten, so gewinnt man die Einsicht in diese Weissagung, und es wird nicht nötig sein, durch Allegorisieren dem Worte Gewalt anzuthun. Des Allegorisierens bedarf es auch nicht mit Rücksicht auf das Opfer, dessen Erwähnung geschieht. Das Opfer benimmt dem Sühntode JEsu nichts. Es ist nicht bestimmt, zu sühnen, sondern bloß ein subjektiver Akt, ein symbolisches Bekenntnis der Sünde. Hebr. 9, 27 bleibt im vollen Recht. – Daß hier vom israelitischen Volk und Land die Rede ist, und nicht von der christlichen Kirche, erweist sich schon daran, daß bei dieser letzteren Auffassung so wesentliche Züge, wie die Gleichberechtigung der Fremdlinge, welche sich Israel angeschlossen haben (47, 22–23, vgl. Jes. 14, 1), um ihre ganze Bedeutung kommen.


§ 44.
Das Buch Daniel.

 1. Den Namen trägt das Buch davon, daß es die Erlebnisse und Visionen enthält, welche Daniel ein jüdischer Exulant, am Hofe zu Babylon gehabt. Für das Buch als Ganzes wird ein Verfasser etwa in der Weise von Jes. 1, 1 nicht angegeben; die einzelnen Weissagungen aber von c. 7–12 werden ausdrücklich auf Daniel zurückgeführt. Bei dem engen Zusammenhang, welcher zwischen den Erlebnissen Daniels und den ihm zu teil gewordenen Offenbarungen besteht, ist es immerhin wahrscheinlich, daß auch der erste Teil des