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erfordern aber doch allgemeine ernstliche Beachtung um seiner Persönlichkeit willen; denn seine Erlebnisse erwiesen ihn als ein auserwähltes Werkzeug Gottes. Seine Offenbarungen hat er nicht gepredigt, sondern in ein Buch legte er sie nieder zum stillen Studium und zur Belehrung für den, welcher aufmerken wollte. Die Zeit in ihrem Fortschritt, sollte der Ausleger sein für den Forschenden. Warum gerade er sie empfing, erklärt sich daraus, daß er in seiner hohen politischen Stellung im Mittelpunkte der ersten Weltreiche vor anderen befähigt war, das Wesen und den Geist der Weltmacht und ihrer Herrscher zu erkennen und über deren Verhältnis zum Reiche Gottes Offenbarung zu empfangen und schriftlich aufzuzeichnen.

 5. Gliederung des ganzen Buches.

 Das Buch zerfällt, wie schon bemerkt in zwei Hauptteile. Der erste (c. 1–6) enthält Erlebnisse Daniels am chaldäischen Hofe, der zweite (c. 7–12) Visionen über die Reiche der Welt und das Reich des Messias, innerlich aber hängen beide Teile untrennbar zusammen.

 Es ist im wesentlichen ein großes Bild, das Daniel vor unserm geistigen Auge entstehen läßt; der Kampf zwischen Weltreich und Gottesreich in seinen einzelnen Stadien und seinem Ausgang, c. 2 im Monarchienbild zeichnet er die Umrisse desselben; c. 7 verleiht er den erst mehr angedeuteten geschichtlichen Erscheinungen bestimmteren Charakter. Beide Kapitel umfassen das Ganze der Entwicklung, doch geht c. 7 durch Schilderung des antichristlichen Reiches über c. 2 hinaus. Nachdem das Bild im großen und ganzen sozusagen auf die Leinwand gebracht ist, kommen nun die Einzeichnungen in dasselbe, die nach den Gesetzen der Malerei und bildlicher Darstellung immer spezieller und detaillierter werden, aber alle sich wohl in einander fügen, so daß das Ganze zuletzt einen harmonischen Eindruck gewährt. Das Geheimnis der Bosheit, welches am Schluß des 4. Reiches zum entscheidenden Kampf mit dem Gottesreich hervortritt, hat sich nach c. 8 bereits im 3. Weltreich von ferne angezeigt. Wie dort aus den zehn Reichen, in welche das 4. Weltreich ausläuft, das antichristliche sich erhebt, so hier aus den 4 Reichen, die schließlich aus dem griechischen Weltreich sich bilden. Zu dem, was c. 8 in großen Zügen dargestellt ist, enthält c. 10–12 das genauere Detail; insofern dieser letzte Abschnitt uns in den geistigen Hintergrund der Weltbegebenheiten blicken und uns dadurch dieselben verstehen läßt, verhält er sich zu c. 8 ganz wie c. 7 zu c. 2. Zwischen dem Antichristentum des 3. und dem des 4. Weltreichs liegt in der Mitte das röm. Weltreich selber, c. 9 zeigt, daß die Herrschaft dieses Reiches an dem Bestand des durch Cyrus wieder hergestellten Israel nicht spurlos vorübergeht.