Seite:Ferdinand Wilhelm Weber - Kurzgefaßte Einleitung in die heiligen Schriften (11. Auflage).pdf/233

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

einen besonderen Vorzug vor den übrigen Propheten. Gleichwohl ist Daniel keine singuläre Erscheinung in der Schrift. Sein Buch bildet das Mittelglied zwischen der Weissagung Bileams und der Offenbarung St. Johannis.

 7. Inhaltsübersicht:

 Erster Hauptteil c. 1–6.

 1. Infolge des Kriegszuges, welchen Nebukadnezar – wohl noch als Mitregent seines Vaters Nabopolassar gegen Ägypten und Juda unternahm (vgl. Jer. 25, 1; 46, 2; 2 Chr. 36, 6 f.; Jer. 36, 9), kommt Daniel nach Babel und wird hier mit anderen israelitischen Edelknaben zum Hofdienst herangezogen. Aus Treue gegen das mosaische Gesetz versagt er sich mit drei anderen Gefährten das Fleisch und den Wein von der königlichen Tafel, was Gott ihm trotz aller äußeren Schwierigkeiten gelingen läßt und damit segnet, daß er, obwohl er nur von Pflanzenkost und Wasser lebt, doch mehr gedeiht, als die andern. Dazu macht er in allen Kenntnissen so große Fortschritte, daß der König nach Beendigung der drei Lehrjahre ihm und seinen Genossen vor allen anderen seine Gunst zuwendet und Daniel von da an während der ganzen Dauer der chaldäischen Herrschaft am Hofe bleibt (c. 1)

 2. Nebukadnezar hatte im 2. Jahre seiner selbständigen Regierung einen Traum, der ihm entfiel und den seine Weisen (Chaldäer, vgl. c. 5, 30 Bezeichnung eines Reiches und zugleich einer Kaste, etwa wie Brahmanen s. Ranke, Weltgeschichte V, 1 p. 6) ihm wieder sagen und deuten sollen. Da sie das nicht können, so will er sie töten. Auch Daniel soll sterben. Da erfleht er von seinem Gotte die Offenbarung des Traumes und seiner Deutung, und sagt beides dem Nebukadnezar. Dieser aber beugt sich vor Daniels Gott und erhebt den Daniel zum Obervorsteher der Magierkaste. Der Traum aber war folgender. Der König schaute ein großes Bild, dessen Haupt von Gold war, Brust und Arme waren von Silber, Bauch und Lenden von Erz, die Füße teils von Eisen, teils von Thon, bis sich ein Stein von selbst losriß, an die Füße des Bildes stieß und alle Teile desselben zermalmte. Daniel deutete das Bild auf mehrere aufeinanderfolgende Reiche. Es werde nämlich auf das gegenwärtige, das des Nebukadnezars, ein geringeres folgen (das medo-persische), dann ein drittes von Erz, herrschend über die ganze Erde (das griechisch-Ptolemäisch-seleucidische), und ein viertes, stark wie Eisen, alles zermalmend und zerschmetternd (das römische), darauf ein geteiltes Reich, teils von Eisen, also stark, teils von Thon, also zerbrechlich (das ost- und weströmische), wo man sich im Geschlechte vermischen werde, aber ohne zusammenzuhalten (die kleineren, aus römischen und eingedrungenen barbarischen Volksbestandteilen gemischten Reiche, in welche das große römische Reich ausging); zur Zeit dieser Könige (der kleinen Reiche) werde Gott selbst ein Reich auf Erden errichten, welches alle jene Reiche zerstören, selbst aber in Ewigkeit bestehen und keinem andern Volke werde überlassen werden (das zukünftige Reich Christi) (c. 2).