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letzteres mit dem Trost, den er von Gott sich erbeten hat. Was ihn aufregt, ist die Herrschaft der Gewaltthat in der Welt. So unerträglich auch der Zustand ist, daß die Menschenwelt dem Willkürregiment eines Menschen schutzlos sich preisgegeben sehen muß, so bleibt doch für das einzelne Glied seines Volkes, dessen Sache er vor Gott führt, nichts anderes übrig, als im festen Vertrauen auf Gott geduldig das Kommen der geweissagten Hilfe zu erwarten. Er selber, der Prophet, erhebt sich in der Kraft des Glaubens aus dem gegenwärtigen Elend und feiert schon jetzt in einem erhabenen Lied die künftige Errettung. – Im Buch des Propheten wechselt klagende Bitte mit göttlicher Antwort. Er erinnert an Jesaja (c. 13 und 14, auch c. 21, 1–10 u. s. w.); sein Buch ist ein Gegenstück zu Nahum, weil wesentlich Weissagung des Sturzes des tyrannischen Weltherrschers; von Jeremia unterscheidet er sich, indem er an der chaldäischen Drangsal mehr die Verschuldung des Chaldäers, als dessen göttliche Sendung zur Züchtigung hervorhebt. Für das neue Testament kommt er durch c. 2, 4 in Betracht, insofern er den Glauben als Weg zum Heil bezeichnet, eine Stelle, die besonders St. Paulus Röm. 1, 17 etc. verwertet hat.

 1. Des Chaldäers Sendung, c. 1. Der Prophet wehklagt vor Jehova, um endliche Abhilfe bittend, über selbsterfahrenen Frevel und das ihn umgebende Verderben (2–4). Der HErr antwortet ihm und dem ganzen Volke: Ein erstaunliches, außerordentliches Gotteswerk ist seinem Vollzuge nahe: wie die Sünde des Volks, so wird das nahe Strafgericht sein. Die Vollstrecker desselben sind die Chaldäer, das unaufhaltsam vorwärtseilende, unerbittlich tyrannische Eroberungsvolk (5–11). Der Prophet, der im Geist den Chaldäer bis zur äußersten Selbstvermessenheit schonungslos morden und erobern sieht, fragt, ob Gott, der doch sein Volk nicht untergehen lassen könne, dem Chaldäer, der sein Werkzeug ist, aber die eigene Macht zu seinem Gott erhebt, nicht bald ein Ziel setzen werde (12–17)?

 2. Der Untergang des Chaldäers, c. 2. Der Seher, der mit gespannter Aufmerksamkeit auf die in seinem Innern zu vernehmende Antwort Gottes harrt, empfängt sie mit dem Befehl, sie aufzuzeichnen, weil sie erst künftig in Erfüllung gehen wird (1–3). Während der Gerechte durch seinen Glauben erhalten wird, wird der aufgeblasene Chaldäer, der trunkene, hochmütige, unersättlich habgierige Welteroberer, zuletzt den unterjochten Völkern ein Gegenstand einstimmig triumphierenden Spottes (4–6a). Wehe über den Chaldäer, der die Völker beraubt hat, er selbst wird den Völkern zum Raube werden (6b–8); wehe dem gewinnsüchtigen und eigennützigen, der viele Völker vernichtet