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Schrift, welche sich noch auf den Makkabäischen Münzen und alten Denkmälern findet, und von den Samaritanern noch heutigen Tages gebraucht wird, vertauschten die Israeliten im Exil mit der babylonischen, die nach ihrer Gestalt auch Quadratschrift genannt wird. Sie hat ebenso wie die ursprüngliche (phönizische) Schrift die Eigentümlichkeit, daß nur die Konsonanten geschrieben werden, während man die Vokale im Lesen hinzudenken muß.


§ 15.

 So lange die hebräische Sprache eine lebende war, hatte es keine Schwierigkeit, den vokallosen Text zu entziffern und die richtige Lesung im Volke fortzupflanzen. Als sie aber durch die aramäische verdrängt ward, wurde die Beschäftigung mit der Schrift und die Überlieferung des heiligen Textes Gegenstand einer besonderen Schriftgelehrsamkeit. Diese bewahrte die richtige Lesung des Textes und sorgte später auch, daß er mit Vokalen und Accenten versehen wurde, damit die Lesung ein für alle Male festgestellt wäre. Das herrschend gewordene Punktationssystem ist das der Schule zu Tiberias, welches wir bis ungefähr in das V. Jahrhundert zurück verfolgen können. Welche Bedeutung diese Vokalisation und Accentuation hat, ist demnach klar: sie ist nichts anderes als die Bezeichnung für die Textauffassung, wie sie in der jüdischen Überlieferung herrschend war. Da aber die Schriftgelehrten mit peinlicher Sorgfalt bedacht waren, den Text unversehrt zu erhalten und fortzupflanzen, und da auch der Text, der den ältesten Übersetzern vorlag, mit dem durch die Schriftgelehrten punktierten zusammenstimmt, so dürfen wir die Vokalisation für wesentlich richtig halten. Die Schriftauslegung braucht sich nur in seltenen Fällen Abweichungen zu gestatten, und das in dieser Textpunktation niedergelegte Schriftverständnis ist ein wahrhaft erstaunliches.

 Anmerkung: Sehr wichtig sind die strengen Vorschriften des Talmud für die Verfertigung von heiligen Handschriften; er verordnet Musterhandschriften und befiehlt strengste Sorgfalt in der Schrift. Später zählte man die Verse, Worte, ja Buchstaben. Auch dann veränderten die Schriftgelehrten den Text nicht, wenn sie an demselben Anstoß nahmen. Sie ließen den ursprünglichen Text (das Chetib = das Geschriebene) stehen und schrieben das Keri (d. h. wie sie meinten, daß gelesen werden müsse) an den Rand. Soferne die Schriftgelehrten den Text überlieferten, nennt man sie Massorethen, ihre Bemerkungen