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 3. Als das apostolische Zeitalter allmählich zum Abschluß kam, wurde der Kirche außer etlichen Briefen und den letzten Evangelien zuletzt noch ein Buch der Weissagung verliehen, damit sie in der Leidenszeit, die der Kampf des Weltreichs gegen die Kirche bringen sollte, Licht und Trost besäße und an der Hand der Weissagung das Ziel erreichte, für welches sie bestimmt ist.


§ 59.

 1. Die evangelischen Schriften in ihren grundlegenden, die epistolischen in ihrer auslegenden, die apokalyptische Schrift in ihrer vollendenden Bedeutung: – diese Schriften zusammen sollten der Kirche bieten, was sie bedurfte, um auf dem rechten evangelischen Heilsgrunde zu immer größerer Reife und Vollendung zu gelangen. Die Kirche erkannte denn auch bald, daß diese Schriften zusammen ein Ganzes zu bilden bestimmt waren, an welchem sie als Gemeinde des Neuen Bundes ihre hl. Schrift neben der Alttestamentlichen besitzen sollte. Um das Jahr 100 n. Chr. waren schon die Hauptschriften des N. Testaments, der sog. Urkanon, in weiten Kreisen bekannt und im Gebrauch. Um 150 n. Chr. sind davon die ausdrücklichsten namentlichen Zeugnisse in Fülle vorhanden. Zu Anfang des 3. Jahrhunderts war der Urkanon überall anerkannt.

 2. Einige Schriften aber, welche wir jetzt in unserm Neutestamentlichen Kanon haben, waren nicht von allen Gemeinden als apostolische gekannt, gebraucht und anerkannt, und es währte bis ins 4. Jahrhundert, bis die gesamte Kirche auch über jene Schriften, und somit über den Umfang des Neutestamentlichen Kanon sich geeinigt hatte, oder was dasselbe ist, bis ein gesamtkirchlicher Kanon zu stande gekommen war. Der Abschluß dieser geschichtlichen Entwickelung, von wo ab der Neutestamentliche Kanon als kirchlich feststehend zu betrachten ist, erfolgte für die griechische Kirche erst unter Justinian I. (527–565), für die abendländische bereits auf den Synoden zu Hippo Regius 393 und zu Karthago 397.

 Die Entstehungsgeschichte des N.Tl. Kanon durchläuft, im einzelnen betrachtet, folgende Stadien:

 ad 1. Die N.Tl. Schriften entstanden wie durch verschiedene Verfasser, so in verschiedenen Zeiten und für verschiedene Gemeinden; sie waren demnach anfangs zerstreut. Die eine Gemeinde besaß diese, die andere jene apostolische Schrift. Aber teils apostolische Weisung (Kol. 4, 16), teils der freie Verkehr