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die Apokalypse und zwar aus vorwiegend dogmatischen Gründen von den andern, als den „rechten, gewissen Hauptbüchern“, und ihm folgten Melanchthon und Chemnitz; aber schon Gerhard findet den Unterschied zwischen den Homologumenen und Antilegomenen nicht mehr in dem verschiedenen Grade der Normativität, sondern lediglich der Anerkennung seitens einzelner Teile der alten Kirche. Der Unterschied ist in der kirchlichen Praxis so gut wie keiner mehr. Diese Auffassung ist vom 17. Jahrhundert an die herrschende. Auch die seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts immer häufiger und ernster gewordenen Versuche der sog. „Kritiker“ (s. Vorbem. 5, 4), gewisse Teile der N.Tl. Schrift als unecht zu erweisen, haben keinen Einfluß auf die kanonische Geltung der h. Schriften geübt; der N.Tl. Kanon ist vielmehr in seinem Umfang derselbe geblieben, und man hat erkannt, daß derselbe, so wie er uns vorliegt, und wie er in allen Kirchen gleicherweise seit anderthalb Jahrtausenden schon Geltung hat, ein großes Ganzes ist, von dem kein Glied weggenommen werden darf, wenn man nicht das Ganze verletzen und die Kirche um eine ihr von Gott geschenkte, für die Vollendung ihres Laufes nötige Gabe berauben will.




Kap. 2.
Von der Grundsprache des Neuen Testaments.

§ 61.

 Die Grundsprache des N. Testaments ist die griechische, und zwar die sogen. Vulgärsprache (κοινή), wie sie seit Alexander d. Gr. die Sprache der gesamten gebildeten alten Welt geworden war und auch im heil. Lande neben der aramäischen Landessprache Eingang gefunden hatte. Der Grund, weshalb für das N. Testament nicht auch die hebräische Sprache gewählt worden, liegt nicht in den Verfassern der N.Tl. Schriften. Wenigstens wird Paulus das Hebräische, das er nach Akt. 22, 2 sprach, auch haben schreiben können. Aber der Kreis, für welchen die h. Schriften des N. Testaments nötig wurden, war nicht mehr das Volk des alten Bundes, sondern die Völkerwelt. Die Episteln des Paulus gehörten ja vor allem den heidenchristlichen Gemeinden, und als auch die andern Apostel anhoben, die Lehre schriftlich zu verfassen, da war die Kirche nicht mehr