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hat, sind enthalten 1) in Schriften, und zwar in denen des Irenäus († 202), Tertullian († 220) und Justin († 162); 2) in Thatsachen, und zwar darin, daß die Häretiker in den ersten Jahrzehnten des zweiten Jahrhunderts ebenso wie Celsus von den Evangelien ausgehen, daß die apokryphischen neutestamentlichen Schriften aus derselben Zeit sich auf unsere Evangelien zurückbeziehen, daß der Barnabasbrief zu Anfang des 2. Jahrhunderts das Evangelium Matthäi mit der Formel „wie geschrieben steht“ schon als kanonische Schrift citiert. Alles dies und noch anderes beweist, daß noch vor Ablauf des ersten Jahrhunderts unsere Evangelien in allgemeinem kirchlichem Gebrauch und kanonischer Geltung standen, und zwar, wie immer betont wird, weil ihr apostolischer Ursprung unzweifelhaft war.

 4. Die Aufeinanderfolge der Evangelien, wie wir sie in unserem Kanon haben, ist durch das Zeugnis der ältesten Väter, speziell des Irenäus beglaubigt, und es ist kein hinlänglicher Grund vorhanden, sie zu bestreiten, vielmehr wird sie durch die Entstehungsgeschichte der einzelnen Evangelien ihre Bestätigung finden.


§ 71.
Das Evangelium nach Matthäus.

 1. Matthäus oder Levi (Matth. 9, 9, vgl. Markus 2, 14; Luk. 5, 27), der Sohn des Alphäus (Mark. 2, 14) einer der zwölf Apostel (Matth. 10, 3), war vor seiner Berufung zum Apostelamte ein Zöllner, d. h. ein Untereinnehmer bei einem Zollamte am See Tiberias. Von dem HErrn zur Nachfolge berufen, folgte er diesem Rufe, ohne sich zu bedenken. Er, der vorher kein rechter Jude gewesen, wurde nun ein Israelite im vollsten Sinne des Worts, und vertiefte sich mit allem Ernst in die Geschichte und in die heiligen Schriften seines Volks. Seine Wirksamkeit als Apostel JEsu gehörte zuerst den Gemeinden des jüdischen Landes. Als aber das Evangelium hier keine Stätte mehr fand, so verließ er das jüdische Land, verfaßte jedoch, ehe er von seinem Volke schied, wie Eusebius berichtet, sein Evangelium zunächst für die Judenchristen, wahrscheinlich aber auch zu einem letzten Zeugnis für sein Volk überhaupt, indem er in übersichtlicher Weise mit großartig historischem Blicke den inneren Gang der Geschichte JEsu darlegt und aus demselben nachweist, wie es gekommen sei, daß die Gemeinde JEsu, welche aus Israel hervorging, nunmehr unter den Heiden ihre Stätte suchen muß. Wo Matthäus nach seinem Weggang aus dem jüdischen