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§ 76.
B. Die Apostelgeschichte des Lukas.

 1. Die Apostelgeschichte, Acta Apostolorum, bildet mit dem Evangelium des Lukas ein Werk. Aus dem Schluß des Evangeliums, wie aus dem Anfang der Apostelgeschichte geht klar hervor, daß Lukas, als er das Evangelium schloß, bereits den Plan gefaßt hatte, die Apostelgeschichte aufzuzeichnen. Wir beziehen uns also, was Verfasser, Zeit und Ort der Abfassung anlangt, auf das oben in § 73 Gesagte.[1] Sorgfältige Vergleichung der Handschriften und Beachtung der Mitteilungen der Kirchenväter in neuester Zeit haben es wahrscheinlich gemacht, daß die Apostelgeschichte in 2 Ausgaben vorhanden war, einer früheren, die im Abendland verbreitet war, und einer zweiten, wohl vom Verfasser selbst umgearbeiteten, die ihre Heimstätte im Morgenland hatte und jene erste (vielleicht in Rom geschriebene) Ausgabe verdrängte.

 2. Das zweiteilige Werk des Lukas hat, wie wir oben sahen, keinen andern Zweck, als den Lauf des Evangeliums von Jerusalem nach Rom, oder was dasselbe ist, von Israel in die Völkerwelt darzustellen. Dieser Gedanke trägt denn auch wirklich, wie das Evangelium, so die Apostelgeschichte. Wie uns das Evangelium zeigte, daß JEsus inmitten Israels sein Evangelium verkündete, aber bei dem pharisäisch gesinnten Volke keinen Glauben für dasselbe fand und darum seine Apostel zu Zeugen für die Völkerwelt abordnete, so zeigt die Apostelgeschichte, wie die Kirche JEsu Christi in Jerusalem zwar entstand, hier aber keine bleibende Stätte fand,


  1. Mit c. 16, 10 geht die Erzählung ganz unvermittelt aus der dritten in die erste Person über und setzt sich in dieser Weise bis v. 18 fort. Derselbe unvermittelte Übergang wiederholt sich c. 20, 5(–21, 18) und c. 27, 1–28, 16. Die einzig natürliche Erklärung des Sachverhalts ist, daß wir in diesen s. g. „Wirstücken“ den Bericht des Lukas über diejenigen Begebenheiten vor uns haben, bei welchen er selbst nicht bloß Augenzeuge, sondern auch aktiv Beteiligter war, während er im übrigen nach seinen (mündlichen oder schriftlichen) Quellen erzählt. – In Ausgabe I findet sich das „Wir“ zum erstenmal im 11. Kap., wo nach v. 27 die Worte eingeschoben sind: und es war eine große Freude; als „wir“ aber (um die Propheten) versammelt waren, sagte einer von ihnen namens Agabus u. s. w.