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und Titus, welche in Ephesus und auf Kreta Aufträge des Apostels zu erfüllen hatten. Nach Rom im Jahre 65 zurückgekehrt, unternahm er die längst geplante (Röm. 15, 24) Reise nach Spanien, wie aus dem Briefe des Clemens an die Korinther c. 5 erhellt. Von seiner dortigen Wirksamkeit erfahren wir nichts Näheres. Da wir ihn aber zuletzt zum zweitenmal zu Rom in Gefangenschaft sehen, aus welcher er nicht mehr frei kam, so müssen wir schließen, daß er in Spanien in Haft genommen und nach Rom gebracht wurde, um dort als römischer Bürger vor des Kaisers Gericht gestellt zu werden. Etwa im Jahre 67 wird er dort sein Leben mit dem Zeugentod beschlossen haben. Aus dieser zweiten Gefangenschaft schrieb er den andern Brief an Timotheus, dessen Abfassung wir wohl in das Jahr 66 setzen dürfen.

 3. Sehen wir nun auf das bisherige zurück, so tritt uns ein Doppeltes entgegen: 1. daß Paulus zu einem Apostel JEsu Christi aus einem Pharisäer und Eiferer für Gesetzesgerechtigkeit geworden ist, 2. daß der Beruf dieses Apostels nicht wie der der Zwölfe zunächst und vor allem dem Volke Israel, sondern vielmehr der Völkerwelt gegolten hat. In diesem doppelten Umstand wurzelt die Eigentümlichkeit des Paulus und seiner Briefe, und zwar nach Inhalt und Form.

 a) Was den Inhalt der paulinischen Briefe anlangt, so ist der Grundgedanke, der sie beherrscht, die Erkenntnis, daß Gerechtigkeit vor Gott nicht auf dem Wege des Gesetzes erlangt, sondern von Gott um des Verdienstes Christi willen aus Gnaden dargeboten und vom Glauben angeeignet werde. Diese Erkenntnis ist dann eins mit der andern, daß jeder Mensch, er sei Jude oder Heide, gleich bedürftig, wie gleich fähig des Heiles in Christo sei, – denn die Rechtfertigung hat mit den Werken des Gesetzes nichts zu thun. Von diesem Grundsatze aus erschließt uns der Apostel die tiefste Einsicht in die allgemeine Heilsbedürftigkeit (Sündhaftigkeit), in das Wesen des Heilswerkes (Genugthuung, Sühnung, Versöhnung), der Heilsaneignung (Vergebung der Sünden und Rechtfertigung durch den Glauben) und der Heilsvollendung (Verklärung der alten Natur in die neue). In diesem allen erkennen wir den Gegensatz zu seinem früheren Pharisäismus. Sodann aber ist hinsichtlich des Inhalts von Einfluß sein spezieller Beruf in der Völkerwelt. Er erkennt