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einer früheren größeren, eben der apostolischen Zeit, angehören. Der Umstand, daß bei den meisten paulinischen Briefen Gemeinden, nicht Privatpersonen als Empfänger erscheinen, dürfte, zumal bei dem auf Bewahrung des Überkommenen gerichteten Sinn der ersten Jahrhunderte, der Behauptung einer späteren Erdichtung den Stempel der Unwahrscheinlichkeit von vornherein aufdrücken. Die Hauptinstanz gegen jene Behauptung bildet übrigens die Lauterkeit der Gesinnung, welche an dem Schreiber aus den Briefen uns entgegentritt und die aus denselben zu vernehmende Stimme der Wahrheit selber.


I. Die Briefe des Paulus aus der Zeit vor der Gefangenschaft.

§ 78.
Die Briefe an die Thessalonicher.
I.

 Thessalonich, ehemals Thermä, am thermaischen Meerbusen von Kassander neu gebaut und zu Ehren seiner Gemahlin Thessalonike also benannt, war eine reiche Handelsstadt Makedoniens. Hieher war Paulus in Begleitung des Silas und Timotheus gekommen, nachdem er Philippi hatte verlassen müssen. Drei Sabbate (d. h. 3 Wochen) nach einander erschien er in der Synagoge und erwies aus der h. Schrift, daß JEsus der verheißene Christ sei. Einige Juden wurden durch seine Predigten überzeugt, besonders aber glaubten viele Proselyten des Thors und viele vornehme Frauen, und so entstand die Gemeine zu Thessalonich (Akt. 17, 2–4). Ergrimmt über diesen Erfolg des Evangeliums wiegelten die Juden den Pöbel gegen die neue Gemeinde auf, indem sie zugleich vor der heidnischen Obrigkeit das Christentum als staatsgefährlich verdächtigten. Da hieraus Gefahr für Paulus drohte, so geleiteten die Christen den Apostel nach Beröa (Akt. 17, 5–10). Nur 3–4 Wochen hatte Paulus in Thessalonich gewirkt, die Gemeinde war eben erst entstanden, da mußte er sie schon wieder verlassen. Gerne wäre er darum selbst so bald als möglich nach Thessalonich zurückgekehrt, aber es stellten sich ihm Hindernisse in den Weg (1 Th. 2, 18): deshalb entsandte er den Timotheus, nachdem dieser aus Makedonien zurückgekehrt war, von Athen aus zu den Thessalonichern, damit er Erkundigungen einziehe, wie es der Gemeinde gehe (1 Thess. 3, 1 ff.).