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glänzenden Vortrag des scharfsinnigen Schriftforschers Apollos bewirkte, daß dieser in den Augen vieler über Paulus stieg, während wieder andere im Gegensatz zu jenem für den Paulus Partei ergriffen. Als nun vollends einige judenchristliche Lehrer kamen und der Gemeinde einredeten, Petrus sei der rechte Apostel und Paulus hätte sich nur unter die Apostel eingedrängt, so entstand eine dritte Partei, die nach Petrus sich nannte. Eine vierte Partei wollte über den Parteien stehend, das wahre von menschlicher Überlieferung und Autorität unabhängige Christentum Christi haben. – Mit dieser übeln Weiterentwicklung der Gemeinde hängt es zusammen, daß eine Neigung in ihr entstand von der Autorität des Apostels und der Gesamtkirche überhaupt sich zu emanzipieren und sich selbständig zu stellen; zum Teil mag auch diese Verirrung in einem falschen Genuß ihrer günstigen äußeren Lage (c. 4) begründet sein; denn im Unterschied von anderen Gemeinden hatte die korinthische bei ihrer Entstehung nicht Verfolgungen bestehen müssen; der Mißerfolg einer jüdischen Anklage gewährte ihr große äußere Vorteile (Akt. 18, 12–17). In der freundlichen Stellung der Bevölkerung der Stadt lag übrigens noch eine andere Versuchung, welcher die Gemeinde zum Teil unterlag: man ließ sich dadurch zu einem über die Grenzen des Erlaubten hinausgehenden Verkehr mit den Heiden (c. 8 und 10) bestimmen; so drang heidnisches Wesen ein, in Mißbrauch der christlichen Freiheit; heidnischer Sauerteig fand Raum und zeigte sich wirksam im Leben (c. 5 und 6) und Lehre (c. 15) und eine gewisse Abstumpfung oder Verdunkelung des geistlichen Urteils hinsichtlich der wichtigen und weniger wichtigen der geistlichen Gaben (c. 12 und 14) trat ein. Unter solchen Einflüssen und unter dem oben erwähnten Parteitreiben, wo die Leidenschaften vollen Spielraum hatten, vergaß man das Eine, was not thut. So verfiel die Zucht, Unordnung aller Art riß ein; an die Stelle des einfältigen Evangeliums aber trat ein freies, über die geschichtlichen Thatsachen sich wegsetzendes, sog. rein innerliches, geistiges Christentum (1 Kor. 15). Das alte natürliche griechische Wesen drohte das Christentum der Gemeinde zu verfälschen, ja zu vernichten.

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 2. Von alledem hörte Paulus, nachdem er mehrere Jahre lang in Ephesus gewirkt, durch Korinther, die zu ihm kamen (1 Kor. 16, 17),