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bedarf zu seiner Existenz (12–21), und zwar vornehmer und geringer, welche letztere von den ersten nicht verachtet, sondern am meisten gepflegt und geschützt werden (22–25) und welche allesamt mit einander fühlen (26–27), so sind auch in der Kirche Gaben und Ämter verschiedener Art und Würde, aber sie sollen einander anerkennen (28–30).

 Es ist somit recht, nach Gaben zu streben (12, 31), aber größer als alle Gaben, die ohne sie keinen Wert haben (13, 1–3), ist die demütige, selbstverleugnende, hingebende Liebe (4–7), die, im Gegensatz zu der nur zeitlichen Dauer der Begabungen, ein unvergängliches Gut ist, größer selbst als Glaube und Hoffnung (8–13).

 Das von der Gemeinde so überschätzte wunderbare Zungenreden[1] will der Apostel eingeschränkt, ja aus dem Gottesdienst in dem Fall verbannt haben, wenn das Gesprochene nicht hinterher in gemeinmenschliche Sprache gefaßt und so für die Erbauung der Gemeinde fruchtbar gemacht werden kann (14, 1–25). Dagegen die Gabe der Weissagung soll gepflegt werden. Mit einer Mahnung zur Zucht und Ordnung des gottesdienstlichen Lebens und einem Verbot des öffentlichen Redens der Frauen in den Versammlungen schließen diese Weisungen (26–40).

 V. Von der Auferstehung des Leibes c. 15.

 Nicht die Auferstehung JEsu, aber die der Toten wurde von etlichen in Korinth geleugnet, vielleicht ohne daß sie sich der Konsequenzen, welche die Leugnung dieses Artikels der Christenhoffnung für die Thatsache der Auferstehung JEsu hat, bewußt wurden. Beides aber steht in unzertrennlichem Zusammenhang. Daher sehen wir den Apostel zuerst die Thatsächlichkeit der Auferstehung JEsu auf Grund äußerer Zeugnisse feststellen (c. 15, 1–11), sodann die Bedeutung dieser Thatsache für die Predigt des Apostels und den Glauben der Gemeinde, (welcher ohne dieselbe nichtig und leer wäre) darthun (12–19), ferner den inneren Zusammenhang aufzeigen, in welchem die Totenerweckung mit der Auferstehung Christi als des zweiten Adams steht (20–28) und endlich auf die bedenklichen sittlichen Folgen hinweisen, die aus dem Wegfall dieser Christenhoffnung sich ergäben, indem dann christliche Selbst- und Weltverleugnung keinen Sinn hätte und materieller Genuß das einzig Vernünftige wäre (29–34). Also das „Daß“ der Auferstehung ist gewiß. – Erst nun kommt der Apostel auf das Wie? der Auferstehung und die Beschaffenheit des Auferstehungsleibes zu sprechen. Der letztere ist, wie das Gleichnis vom Samenkorn zeigt, wesentlich derselbe mit dem Erdenleibe, von ihm aber anderseits so verschieden, wie es seine Ähnlichkeit mit dem verklärten Leibe Christi, des zweiten Adams, mit sich bringt (35–50). Auch diejenigen, die die Wiederkunft des HErrn in diesem Leibe erleben, werden verwandelt werden,


  1. Unter dem Zungenreden haben wir uns einen wunderbar gehobenen, der Verzückung ähnlichen Seelenzustand zu denken, bei dem sich der vom Geist Ergriffene eine eigene Sprache zum Ausdruck seiner Gedanken und Gefühle schuf.