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die Sünde wird dem Menschen Ursach des Todes, allerdings mittels des Gesetzes, weil der in der angeborenen sündigen Natur lebende Mensch es nicht zu erfüllen vermag („Vom Fleisch wollt’ nicht heraus der Geist etc.“) (12–14). Hebt doch das Gesetz selbst den Wiedergeborenen über den Widerstreit zwischen Wollen und Thun, dem neuen Ich und der angeborenen Natur, der wie ein schmerzlicher Riß durch sein ganzes Dasein geht, nicht hinweg (15–25). Doch der Wiedergeborene, in dessen Person der Apostel redet, weiß Gott Lob! auch noch von einer anderen Erfahrung zu sagen. Als Christo angehörig weiß er sich frei von verdammlicher Schuld und an dem ihm innewohnenden Geist JEsu Christi hat er die Kraft eines neuen Lebens, vermöge dessen er das Gesetz zu erfüllen vermag, und das Angeld der einstigen Verklärung auch seines leiblichen Lebens (8, 1–11); denn der gegenwärtige Stand unserer Gotteskindschaft verbürgt uns das Erbe der zukünftigen Herrlichkeit (12–17), gegen welche, da sie auch die Verklärung der Schöpfungswelt mit sich bringt, die Leiden dieser Zeit nicht in Anschlag kommen (18–25), zumal der Geist selbst unserer Schwachheit im Gebet zu Hilfe kommt (26–27) und wir die Gewißheit haben, daß, was uns auch immer begegnen möge, nichts die Hinausführung des so wesentlich bereits an uns verwirklichten göttlichen Heilsratschlusses hintertreiben oder trennend zwischen uns und die in der Person JEsu Christi mittlerisch begründete Liebe Gottes zu uns treten kann (28–39). In diesen Hochgesang auf die Seligkeit des Gnadenstandes und die Gewißheit dieser Seligkeit, wie er begeisterter nie aus eines Christen Herz gekommen, klingt die Darlegung des durch Christum uns erworbenen Heils der Glaubensgerechtigkeit aus.

 II. Das Rätsel der (zeitweiligen) Verwerfung Israels und seine Lösung, c. 9–11.

 Aber – wie reimt sich mit der Bestimmung des Evangeliums für alle Menschen (die Juden in erster Linie) die Thatsache, daß Israel gegenwärtig außerhalb des Heils zu stehen kommt? Auf diese, schon c. 3, 1–4 angedeutete Frage gibt c. 9–11 Antwort. Mit dem Ausdruck tiefsten Schmerzes beginnt der Apostel, daß Israel, das Volk der Verheißung, von der Erfüllung der Verheißung nun ausgeschlossen sei (9, 1–5). Aber diese Thatsache streitet nicht wider die Verheißung der Schrift oder Gottes Gerechtigkeit, denn die Schrift zeigt uns schon beim Beginn der Heilsgeschichte, daß natürliche Abstammung und menschliches Thun keinen Anspruch auf das Heil Gottes oder die Zugehörigkeit zur Gottesgemeinde gebe (6–13). Diese Nichtanerkennung menschlichen Anrechts oder Verdienstes ist aber keine Ungerechtigkeit auf Seite Gottes. Gott ist der Kreatur nichts schuldig. Es ist sein freier Wille (Gnadenwille), wenn er einem Menschen wie dort dem Mose Gnade erzeigt und andernteils vollzieht sich auch in der widergöttlichen Selbstbestimmung des Menschen (wie Pharaos) ein vorgängiger, wenn auch innergeschichtlicher Wille (Gerichtswille) Gottes.

 Die hadernde Frage aber, die sich an v. 18, b anschließen mochte, warum Gott Menschen werden lasse, deren schließlicher Ausgang (endliche Bestimmung) es ist, ihm als Gegenstände der Machterweisung seines Zorns zu