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dienen, weist der Apostel als ungehörige Beschwerde des Geschöpfs über seinen Schöpfer ab (19–21), die um so weniger am Platze ist, als Gottes Wille sich schließlich als Heilswille erweist, dem sein Zornverhängnis nur dienen muß (vgl. 11, 11 ff.), wie das in der Berufung einer Gemeinde aus Juden (gegenwärtig freilich nur einer Minderheit) und Heiden als Thatsache vor Augen liegt (22–29).[1] Wenn darum Israel des Heils nicht teilhaftig worden ist, so ist es bloß deswegen geschehen, weil es sich Gottes Heilsweg nicht wollte gefallen lassen: Israel will nicht die Gerechtigkeit in Christo, sondern es will auf dem Weg gesetzlichen Thuns seine eigene geltend machen (9, 30–10, 4). Das Heil in Christo steht gegenüber dem Gesetz: bei diesem kommt es auf Erfüllung einer göttlichen Forderung, also auf eigenes Thun und Trachten an, dagegen das Heil in Christo ist ohne alles unser Zuthun durch sein Sterben und Auferstehen vorhanden, und es gibt kein anderes Mittel, seiner teilhaft zu werden, als es glaubend hinnehmen, oder JEsum bekennen und anrufen (5–13). Weil Glaube der Heilsweg ist, hat Gott auch gesorgt, daß das Heil allenthalben verkündigt werde. Israel hat den Ruf zuerst vernommen, aber es ist gegangen wie die Schrift sagt: es ist durch seinen Ungehorsam gegen die Heilsbotschaft aus eigener Schuld des Heils verlustig gegangen (v. 14–21).

  Doch hierbei beruhigt sich der Apostel nicht, vielmehr hebt er nun c. 11 hervor, daß, trotz zeitweiliger Verwerfung, Israel seinen heilsgeschichtlichen Beruf nicht verloren hat und endlich seine Stelle in Gottes Reich wieder einnehmen wird. Gott hat sein Volk nicht verstoßen, denn 1. ist ja schon ein Teil Israels, eine „Auswahl“, an JEsum gläubig geworden; das ist nun das Israel Gottes (11, 1–10). 2. Es soll auch bei dem Volke im ganzen nicht dabei bleiben, daß es im Unglauben zum Fall gekommen ist. Denn wie der Ungehorsam Israels am Anfang bewirkt hat, daß die Heidenwelt ins Reich Gottes einging, so wird auch am Ende die Bekehrung Israels der Welt einen noch größeren Segen, nämlich die schließliche Heilsvollendung bringen, während hinwiederum die Bekehrung der Heidenwelt dazu dienen muß, daß Israel zur Besinnung kommt und dann als Volk in das Reich Gottes eingeht. Es wird ihm damit geschehen, was ihm die Schrift als Ende seiner Geschichte verheißt, woraus sich denn auch die rechte innere Stellung der Heidenchristenheit zu Israel ergibt (11–32). Und so kann der Apostel am Schluß seiner Erörterung ausbrechen in einen bewundernden Lobpreis der Weisheit Gottes, die trotz allem, womit menschliche Sünde ihren Rat zu durchkreuzen scheint, dennoch die Geschichte zu dem vorbedachten Ziele führt (33–36)!


  1. Es sind nicht allgemein gültige dogmatische Sätze, die der Apostel ausspricht, vielmehr ist zu ihrem Verständnis die fortwährende Beziehung auf die geschichtliche Thatsache der Verstockung Israels festzuhalten. Auch braucht der Apostel mit Absicht starke Worte, um jüdische Anmaßung wie mit Keulenschlägen niederzuschmettern. Der dadurch entstehende prädestinatianische Schein schwindet aber bereits mit v. 22, um am Schluß (9, 30–10, 4) vollständig zu verschwinden.