Seite:Ferdinand Wilhelm Weber - Kurzgefaßte Einleitung in die heiligen Schriften (11. Auflage).pdf/393

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die Lage des Apostels eine andere, viel schlimmere geworden ist, als in der ersten Haft.

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 Während nun diese vier Briefe sich in die frühere Lebensgeschichte des Paulus nirgends einfügen wollen, stimmt alles wohl, wenn wir die Abfassung uns in folgender Weise denken. Der Apostel wurde in der Zeit, in welcher er den Timotheus seinem Versprechen (Phil. 2, 19) gemäß nach Makedonien geschickt, in Freiheit versetzt. Er wird unverzüglich von Rom aufgebrochen sein und die Reise ins Morgenland angetreten haben. In diese Zeit müßte, wenn die paulinische Urheberschaft feststünde, (s. jedoch § 88), die Abfassung des Briefes an die Hebräer fallen. Auf dieser Reise kam Paulus mit Titus nach Kreta, ließ denselben hier zurück und berührte auf der Weiterreise (?) Milet, wo er den Trophimus zurückließ (2 Tim. 4, 20). Aber Ephesus besuchte er jetzt nicht, sondern that dem Timotheus kund, er solle dort bleiben, bis er zu ihm käme (1 Tim. 1, 3). Dorthin schrieb ihm Paulus, nachdem er von Kreta über Milet nach Makedonien gekommen war, und befahl ihm, nicht zu ihm nach Makedonien zu kommen, sondern bis auf weiteres in Ephesus des Amtes zu walten. Aus Makedonien ließ Paulus auch dem Titus Anweisung zugehen, wie er das Amt in Kreta führen solle. Der Apostel hielt sich auf dieser Reise nicht lange auf. Er kam nicht mehr nach Ephesus, sondern begab sich nach Nikopolis in Epirus, um von da aus, wenn die Winterzeit vorüber wäre, auf dem kürzesten Seeweg nach Italien zu kommen. Nach Nikopolis soll auch Titus kommen, wenn er seine Aufträge auf Kreta vollführt hat. Einen Sommer scheint Paulus an diese Reise gewendet zu haben. Nachdem er in Nikopolis überwintert hatte, kehrte er im Frühjahr 65 nach Italien zurück, um endlich seinen alten Plan durchzuführen und das Evangelium bis an das äußerste Ende des Abendlands, nach Spanien, zu tragen. Daß er diesen Plan auch ausgeführt, bezeugt uns Clemens Romanus, der Zeitgenosse des Paulus. Er wird demnach im Laufe des Jahres 65 die Reise nach Spanien angetreten haben. Näheres über seine dortige Wirksamkeit wissen wir nicht. Genug, daß er dort muß in Haft genommen und nach Rom gebracht worden sein, um als römischer Bürger vor des Kaisers Gericht gestellt zu werden. Aus dieser Gefangenschaft, welche bald eine viel bedenklichere Gestalt annahm als