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von Jugend auf in der hl. Schrift unterwiesen, war laut Akt. 16, 1 ff. von Paulus, als er auf seiner zweiten Reise nach Lystra gekommen war, zum Gehilfen erwählt worden. Er diente von da an dem Apostel mit aller Treue, indem er ihn teils auf den Reisen begleitete (vgl. Akt. 17–20) und im Werke des HErrn unterstützte (1 Kor. 16, 10), teils als Abgeordneter des Apostels in die von demselben gestifteten Gemeinden ging, um hier Aufträge des Apostels auszurichten (vgl. Akt. 17, 14; 18, 5; 1 Thess. 3, 2–5; 1, 1. – Akt. 19, 22 vgl. mit 1 Kor. 4, 17; 16, 10. 2 Kor. 1, 1. Akt. 20, 4. Phil. 1, 1). Er folgte dem Apostel auch in die erste römische Gefangenschaft. Sein bleibender Aufenthalt war zuletzt Ephesus, wo er der Tradition zufolge als Bischof unter Domitian oder Nerva den Märtyrertod erlitt.

 2. Anlaß und Zweck dieses Briefes ist, dem Timotheus, der von dem Ap. nach Ephesus entsendet worden, um dort seine Stelle zu vertreten, für sein amtliches Wirken die nötigen Anweisungen zu geben. Der Ap. scheint einen ursprünglich beabsichtigten Besuch in Ephesus auf seiner Reise vom Morgenland ins Abendland (a. 64) unterlassen zu haben und ließ daher, im Begriffe nach Makedonien überzusetzen, dem Timotheus sagen, er solle ausharren in Ephesus, bis er wieder zu ihm komme (1 Tim. 1, 3 vgl. 3, 14). Aber mit diesem Befehle allein begnügte er sich nicht, er wollte ihn für die Erfüllung seines schweren Berufes stärken, und so kam es, daß er aus Makedonien diesen Brief an ihn gelangen ließ.

 3. Um nun den Inhalt dieses Briefes zu verstehen, muß man wissen, was Timotheus in Ephesus sollte und was ihm zur Ausrichtung seines Berufes not war. Er sollte erstlich Irrlehrern entgegenwirken, welche das einfache apostolische Christentum in Lehre und Leben verließen und sich einerseits in unfruchtbare, sei es rabbinische, sei es jüdisch-gnostische Grübeleien, andrerseits in eine gesetzliche oder vielleicht jüdisch-gnostische Askese verloren[1] und andere


  1. Dafür, daß man es hier bloß mit jüdischen Gegensätzen zu thun habe, scheinen die Ausdrücke „Gesetzeslehrer“ (1 Tim. 1, 7), „die aus der Beschneidung“ (Tit. 1, 10 vgl. v. 14) zu sprechen, während dagegen die endlosen Genealogien (1 Tim. 1, 4) und die Leugnung der leiblichen Auferstehung, zu welcher diese Leute fortschritten (2 Tim. 2, 18), das Verbot der Ehe (4, 1 ff.) [391]