Seite:Ferdinand Wilhelm Weber - Kurzgefaßte Einleitung in die heiligen Schriften (11. Auflage).pdf/403

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auf gleiche Wege zu ziehen suchten. Das war an sich eine schwere Aufgabe, die Timotheus nur lösen konnte, wenn er selbst treu an der apostolischen Überlieferung festhielt und jede geistige Gemeinschaft mit den Gegnern mied. Timotheus scheint dies nicht gethan zu haben, sondern aus der Dringlichkeit, mit der der Apostel ihn immer wieder ermahnt, von solchem Wesen sich frei zu erhalten, geht hervor, daß es ihm selbst gefährlich worden war. Vgl. 1 Tim. 1, 4 ff. 18 ff.; 4, 6 ff. 15 ff.; 6, 3 ff. 11 ff. 20. Um so nötiger war es, den Timotheus für den Kampf gegen solches Treiben zu stärken. Dies bildet deshalb gleich den Eingang des Briefes c. 1, wie es auch in der Mitte und am Schluß sich wiederholt. Ein zweites, worüber der Apostel sich zu äußern hatte, betraf die öffentlichen Gottesdienste und die Bestellung der Ämter. Auch dafür bedurfte Timotheus Rat. Der Apostel erteilt ihm diesen, indem er ihn ermahnt, bei der Besetzung der Ämter nicht sowohl auf Begabung, als auf sittliches Wohlverhalten zu sehen (2, 1–3, 13). Endlich drittens soll er ja selbst, bis der Apostel kommt, als Stellvertreter des Apostels die Gemeinde lehren und leiten. Damit bedarf er wieder der Weisung, damit er sich den verschiedenen Verhältnissen gegenüber im Wandel und Wirken richtig zu halten wisse; diese Weisung empfängt er in 3, 14–6, 21. – Dies der Inhalt des Briefes. Er bezieht sich ebenso wie der zweite an Timotheus und der an Titus durchweg auf Kirchenleitung, deshalb heißen sie alle drei „die Pastoralbriefe“.

 4. Was endlich die Form des Briefes anlangt, so ist sie ebenso wie die der anderen Pastoralbriefe weniger sorgfältig, als die der andern Briefe: der Stil ist vielfach ungebunden. Aber es ist zu bedenken, daß sie an Freunde und Gehilfen gerichtet sind. Übrigens herrscht auch in ihnen überall im allgemeinen Ordnung und Gedankenfortschritt.

 Die beiden Timotheusbriefe und den Titusbrief dem Apostel abzusprechen berechtigen weder äußere noch innere Gründe. Die entwickeltere Gestalt jüdisch-hellenischer Gnosis, die uns in den Briefen begegnet, kann nicht befremden, da ihre ersten Keime sich schon im Kolosserbrief zeigen; ebensowenig die stärkere


    auf den Gnostizismus hinweisen, der in seinen Anfängen gewiß vorhanden war, wenn er auch als System sich noch nicht ausgebildet hatte.