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ist es, die Zeit dieser zweiten Gefangenschaft und somit die Abfassungszeit unseres Briefes genauer zu bestimmen. Man setzt sie in Verbindung mit der Neronischen Verfolgung, aber mit Unrecht. Diese war vorüber, als Paulus im Frühjahre 65 nach Rom kam. Auch das regelrechte, förmliche Prozeßverfahren, das gegen Paulus eingeleitet und innegehalten wurde, paßt nicht mehr in die tumultuarische Verfolgungszeit. Ist aber Paulus im Jahre 65 von Rom aus nach Spanien gereist und von dort später, nach wie langem oder kurzem Aufenthalte wissen wir nicht, gefangen nach Rom zurückgebracht worden, so werden wir die Abfassung dieses Briefes schwerlich mehr in das Jahr 65 setzen dürfen. Denn der Brief ist, wie wir aus 4, 21 sehen, wo Timotheus aufgefordert wird, noch vor dem Winter zu kommen, im Spätsommer oder Herbst geschrieben, und der Apostel befindet sich zur Zeit, wo er an Timotheus schreibt, schon geraume Zeit in Haft, der Prozeß ist schon in einem weit vorgerückten Stadium; so werden wir denn an den Herbst des Jahres 66 denken müssen. Übrigens vgl. § 87.

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 2. Den Anlaß zu diesem Briefe bot ebensowohl die Lage des Paulus, als die des Timotheus. Paulus lag als Gefangener in Rom; einmal war die Verhandlung ausgegangen, ohne daß seine Verurteilung erfolgt wäre, aber eine zweite Verhandlung stand bevor, welche einen schlimmeren Ausgang nehmen mußte, wenn dem Apostel nicht mehr Unterstützung zu teil wurde, wie das erstemal. Er war als Übelthäter, d. i. wohl als Unruhestifter angeklagt; zumeist auf jene Vorgänge in Ephesus wird sich diese Anklage bezogen haben. Um sich von dieser Anklage zu reinigen, sollten ihm die Christen in Asien und andere Freunde Zeugnis geben. Aber jene und diese haben ihn alle im Stiche gelassen und von seinen Gefährten ist nur Lukas bei ihm (2 Tim. 1, 15; 4, 9–11. 16–18). Da sehnt er sich nach seinem treuen Gehilfen Timotheus (1, 4), um so mehr, als er vernommen hat, welch innigen Anteil derselbe an seinem Ergehen genommen habe; er hofft in seiner einsamen Lage an ihm eine Stütze zu finden. Dies der nächste Anlaß von seiten des Paulus zu diesem Briefe. Der Apostel will seinen Gefährten durch denselben stärken, daß er immer freudiger werde, mit ihm als ein guter Streiter Christi für das Evangelium zu leiden und nun auch teil zu nehmen